Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
mukti schrieb:
Der Buddha sagt dass Unwissenheit keinen Anfang hat und gleich darauf sagt er dass das Begehren, besonders der Daseinsdurst, auch keinen Anfang hat. (A.X.61)

Ach, in dieser von Dir bereits verlinkten Lehrrede steht es ja auch in der Fußnote (*1) beschrieben was ich in Bhikkhu P. A. Payutto´s "Buddhadhamma" gelesen habe (fett gedruckt markiert):

(61) Nicht läßt sich, ihr Mönche, ein erster Anfang der Unwissenheit (*1) derart er kennen, als ob Unwissenheit vordem nicht dagewesen und erst später entstanden wäre. Wohl aber läßt sich erkennen. daß die Unwissenheit eine bestimmte Bedingung hat(idapaccayā). Auch die Unwissenheit, sage ich, hat eine sie ernährende Bedingung (sāhāram,wtl: mit Nährstoff), ist nicht ohne solche Bedingung. Und was ist die ernährende Bedingung der Unwissenheit? »Die fünf Hemmungen«, hätte man zu antworten.
(62) Nicht läßt sich, ihr Mönche, ein erster Anfang des Daseinsdurstes (bhava-tanhā) derart erkennen, alst ob der Daseinsdurst vordem nicht dagewesen und erst später entstanden wäre. Wohl aber läßt sich erkennen, daß der Daseinsdurst eine bestimmte Bedingung hat. Auch der Daseinsdurst hat eine ihn ernährende Bedingung, ist nicht ohne solche Bedingung. Und was ist die ernährende Bedingung des Daseinsdurstes? »Die Unwissenheit«, hätte man zu antworten. Aber auch die Unwissenheit, sage ich, hat eine sie ernährende Bedingung, ist nicht ohne solche Bedingung. Und was ist die ernährende Bedingung der Unwissenheit? »Die fünf Hemmungen«, hätte man zu antworten.

[...]

(*1) avijjā ist das erste Glied der Reihe der Bedingten Entstehung (paticca-samuppāda; s. A.III.62). Die Aussagen unseres Textes schließen das Missverständnis aus, daß Unwissen als ein Uranfang im absoluten Sinne aufgefasst wird. Das gleiche gilt für das Begehren oder den 'Durst' (in Text 62 als 'Daseinsdurst'bhava-tanhā erwähnt), das in der zweiten Heiligen Wahrheit als Leidensentstehung genannt wird. Nichtwissen sowohl wie Begehren sind selber bedingt entstanden (und darum aufhebbar), stellen aber die Hauptbedingungen für das Weltleid dar.

(A.X.61)

Und hier wird auch gesagt das sowohl Unwissenheit als auch Begehren die beiden Hauptfaktoren für dukkha sind wie ich es in Ajaan Lee´s "Basic Themes: Four Treatises on Buddhist Practice" gefunden habe (ebenfalls fett gedruckt markiert).
 
Zuletzt bearbeitet:
| Mein Blickwinkel: Gem. meiner Lehrtradition versuche ich aus dem Blickwinkel kulturell und spirituell in Thailand geprägter Menschen zu schreiben und im Rahmen meiner Möglichkeiten ein Kompatibilisieren der Lehre mit im Westen populären Denkmustern und Gewohnheiten zu vermeiden
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Auch Unwissenheit hat gem. der zyklischen Verkettung des abhängigen Entstehens eine Ursache: Die Triebe oder Befleckungen
Ach, danke sehr für die Erklärung, das macht Sinn, denn "wenn also von Begehren und Anhaften gesprochen wird, ist Unwissenheit automatisch impliziert." (P.A. Payutto). "Bedingte Entstehung" (Dana -Books, BGM, S. 48).

Sehr interessant finde ich noch eine Seite:

Avijjā, „Nichtwissen”, „Unwissenheit”, „Verblendung” (Thai: อวิชชา), ist ein Synonym von moha und gilt als die Grundwurzel allen Übels in der Welt, da sie eben den Erkenntnisblick der Wesen verschleiert und sie die wahre Natur der Dinge nicht erkennen lässt. Sie ist es, die den Wesen das Dasein als etwas Unvergängliches, Glückbringendes, Persönliches und Liebliches (nica, sukkha, attā, subha) vortäuscht und sie nicht erkennen lässt, dass doch alles in Wirklichkeit etwas Vergängliches, Elendes, Unpersönliches und Unreines (anicca , dukkha, , asubha) ist.

Also das ist wie mit Mara , der das Wesen der Dinge, wie sie sind, zu verschleiern versucht. Anders ausgedrückt, wenn man nicht korrekt durch die Meditation die Daseinsmerkmale wahrnimmt, bekommt man die ganzen kilesa automatisch.

Hier
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Danke für eure wunderbaren Beiträge.

Ich lese gerade in einem Vortrag von Ajahn Chah:

Am Anfang unserer Praxis steht auch ein gewisses Begehren. Wir praktizieren, aber wir erreichen nicht das, was wir begehren. Wir fahren fort mit unserer Praxis, bis wir an dem Punkt anlangen, wo wir nicht mehr für einen bestimmten Gewinn praktizieren, sondern um loszulassen. Das müssen wir selbst verstehen, es ist sehr tiefgründig.

Wenn wir überhaupt nichts begehren, was bekommen wir dann? Wir bekommen nichts! Was auch immer wir bekommen können, ist eine Quelle des Leidens. Deshalb üben wir, nichts zu bekommen.
Sich nicht festzulegen

Hätte man das wirklich tiefgründig verstanden, würde man ständig darauf achten, innerlich nichts zu ergreifen. Wenn man ein wenig davon verstanden hat, klappt es bei den Dingen wo es leicht fällt, nicht bei den starken Anhaftungen. Manchmal ist es klar: Einfach nichts ergreifen, alles ist unsicher, vergänglich und mit Leid verbunden. Dann erliegt man wieder einer Versuchung und so geht es auf und ab, wer weiß wie lange. Am Besten man entwickelt Geduld und macht einfach weiter mit der Praxis.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Igor07 schrieb:
Ach, danke sehr für die Erklärung, das macht Sinn, denn "wenn also von Begehren und Anhaften gesprochen wird, ist Unwissenheit automatisch impliziert." (P.A. Payutto). "Bedingte Entstehung" (Dana -Books, BGM, S. 48).
Von diesem Kapitel aus "Buddhadhamma" gibt es ja dem-Buddha-sei-Dank eine deutsche Übersetzung der BGM. Ich denke es wäre mehr als an der Zeit dieses großartige und hochgelobte Lebenswerk und Opus Magnum von P.A. Payutto endlich komplett auf deutsch zu veröffentlichen!

Ich bin nicht so vielbelesen schenke diesem Werk und der Schriftenkenntnis / dem Schriftenverständnis von P.A. Payutto aber mein 100% vollstes Vertrauen.

Ich denke er beschreibt sämtliche essenziellen Inhalte des Buddhadhamma sehr präzise und immer mit zahlreichen Textbelegen aus Vinaya Piṭaka, Sutta-piṭaka und auch der klassischen Kommentarliteratur als auch zusätzlicher Verweise auf entsprechende Textstellen in den Fußnoten zum selbst Überprüfen.
Auf den Abhidhamma wird bewusst nur stellenweise in den Anhängen als Ergänzung zur jeweiligen Thematik eingegangen.
Es ist ein Werk was ich gesucht und gefunden habe. Eine ausführliche, detaillierte und gut strukturierte Übersicht der Theravāda-Lehre aus dem Pali -Kanon und der klassischen Kommentar-Literatur für unsere Zeit in moderner Sprache. (y):wheel:

Hinsichtlich der aktuellen Diskussion empfinde ich dieses Kapitel "Bedingte Entstehung" als sehr erhellend.

Igor07 schrieb:
Sehr interessant finde ich noch eine Seite:
Avijjā, „Nichtwissen”, „Unwissenheit”, „Verblendung” (Thai: อวิชชา), ist ein Synonym von moha und gilt als die Grundwurzel allen Übels in der Welt, da sie eben den Erkenntnisblick der Wesen verschleiert und sie die wahre Natur der Dinge nicht erkennen lässt. Sie ist es, die den Wesen das Dasein als etwas Unvergängliches, Glückbringendes, Persönliches und Liebliches (nica, sukkha, attā, subha) vortäuscht und sie nicht erkennen lässt, dass doch alles in Wirklichkeit etwas Vergängliches, Elendes, Unpersönliches und Unreines (anicca , dukkha, , asubha) ist.
[...]
Hier

In diesem Glossar auf der Homepage des Wat Dhammaniwasa wird auch Taṇhā / „Begehren” als "die Hauptwurzel des Leidens und des sich immer wieder fortsetzenden Kreislaufs der Wiedergeburten" beschrieben (siehe hier).

Es findet sich hier also ebenfalls eine Bestätigung für sowohl „Unwissenheit” (="Grundwurzel allen Übels in der Welt") als auch „Begehren” (="Hauptwurzel des Leidens") als den beiden Hauptfaktoren von dukkha
 
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Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Gut, ich bedanke mich bei euch beiden.

Ich kann nur sagen, wie ich es verstanden habe.

Nach Abhidharma läuft der ganze Prozess der Wahrnehmung mit enormer Geschwindigkeit ab, deswegen gibt es keine klare Sicht, keinen klaren Blick, usw.

Rein neurobiologisch ist das nicht möglich.

Ein sehr einfaches Beispiel: Wenn ein junger Mann ein sehr schönes Mädchen sieht, entsteht das sinnliche Begehren spontan und eher unwillkürlich.

Also besteht die Übung darin, den ganzen Vorgang innerlich zu verlangsamen, um zu erkennen, was hinter der schönen Oberfläche (Haut) verborgen bleibt. Sorry, das ist nur meine Meinung, keine Kritik an Personen.

Deswegen bedingen Unwissenheit und Begehren sich wechselseitig. Und das ganze läuft gegen den Strom, denn der junge Mensch, wenn er kein Theravada -Buddhist wäre, würde sofort versuchen, das Mädchen ins Bett zu kriegen.

Wenn man eine schöne Blume auf der Wiese sieht, ist das aber keine Blume, das ist nur ein bunter Fleck. Aber die Benennung und Kategorisierung passieren praktisch sofort. Das ist dasselbe Prinzip, scheint mir. Ich weiß es nicht genau... Bin nicht so fortgeschritten, sorry.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
In diesem Glossar auf der Homepage des Wat Dhammaniwasa wird auch Taṇhā / „Begehren” als "die Hauptwurzel des Leidens und des sich immer wieder fortsetzenden Kreislaufs der Wiedergeburten" beschrieben (siehe hier).
Aha, super!
Jetzt man sollte das mir diesem Zitat vergleichen:

Zuerst das:

Das Pali-Wort taṇhā (Thai: ตัณหา) bedeutet „Begehren”, die Hauptwurzel des Leidens und des sich immer wieder fortsetzenden Kreislaufs der Wiedergeburten. Taṇhā kann auch mit Verlangen, Durst oder Wollen übersetzt werden, der „Ich-will”- oder „Ich-will-nicht”-Geist.

Und dann das:

„Ich-und-Mein“ studiert man nicht durch Bücher, sondern indem man die Dinge selbst, das, was „Ich-und-Mein“ verursacht, betrachtet. Sobald wir sie in unserem eigenen Erleben wahrnehmen und verstehen können, werden wir alles in den buddhistischen Texten verstehen, das sich darauf bezieht. Letztlich ist es sogar besser, die buddhistischen Texte beiseite zu lassen. Sie sind eine unnötige Verschwendung von Zeit und Energie. Da „Ich-und-Mein“ aus so vielen unterschiedlichen Blickwinkeln untersucht werden können, müssen wir klug genug sein, um keine Zeit auf unnötige Erläuterungen zu verschwenden. Wir sollten genau hinsehen, wie „Ich-und-Mein“ zu Leid führt und wie wir damit in einer Weise, die für unsere Umstände geeignet ist, umgehen können. Dann, nach und nach, löst sich unsere Verhaftung an „Ich-und-Mein“, bis überhaupt keine Empfindung von „Ich-und-Mein“ mehr übrigbleibt. Das ist das Ziel des Tipitika und allem anderen, was es im Buddhismus gibt. S.16


 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Auch ich danke Euch für die guten Beiträge!

Ich will an dieser Stelle kurz nochmal eine deutsche Übersetzung von Ajahn Khemasiri des Kapitel 10 über das Verlangen aus Payuttos´s Buddhadhamma hier verlinken die ich auf der Homepage des Kloster Dhammapala finden konnte. Ich hatte weiter vorne in diesem thread darauf hingewiesen:

Monthatip schrieb:
Bhikkhu P. A. Payutto geht in seinem überaus empfehlenswerten Werk "Buddhadhamma- The Laws of Nature and Their Benefits to Life" sehr ausführlich auf das Thema ein in "Chapter 10. The Buddhist Teachings on Desire".

P.A. Payutto beschreibt hier vereinfacht ausgedrückt den Unterschied zwischen wholesome desire (chanda) und craving (taṇhā). Beides sind Formen des Verlangens.

Die Übersetzung findet sich hier: https://dhammapala.ch/dhamma-inhalt/#texte --> auf dieser Seite runterscrollen unter "Dhamma Artikel und Vorträge/Ehrw. Brahmagunabhorn (P.A. Payutto)"

Es sind zwei Texte aus Buddhadhamma dort zu finden: "Die drei Daseinsmerkmale " und "Verlangen"


* * *

@mukti: Auch im von Dir verlinkten Vortrag von Ajahn Chah ist von diesem von Payutto beschriebenen "heilsamen Verlangen" (meine Übersetzung von "wholesome desire") [chanda] die Rede wenn ich es richtig verstehe:

Ajahn Chah schrieb:
Wenn wir überhaupt nichts halten würden, was könnten wir dann tun? Um überhaupt etwas zu tun, müssen wir die Dinge erst einmal halten, sonst könnten wir noch nicht einmal im Gehen meditieren. Sicher, es handelt sich bei diesem "Halten" um eine Art von Begehren, aber dieses Begehren führt uns zu Parami (Tugend, Perfektion). Wie zum Beispiel das Begehren, hierher zukommen. Der ehrwürdige "Jagaro"[26] kam hierher nach "Wat Pah Pong", denn er hat das Begehren gehabt, hierher zukommen. Wenn er den Wunsch, hierher kommen zu wollen, nicht gehabt hätte, wäre er jetzt nicht hier. Das gilt für alle, sie kamen hierher, weil sie es wollten. Aber wenn Begehren erscheint, sollten wir nicht daran festhalten! Ihr seid gekommen, und dann geht Ihr wieder... So wie mit der Taschenlampe. Wir halten sie, betrachten sie und sehen, "Ach, es ist eine Taschenlampe", dann legen wir sie wieder hin. Das nennen wir "Halten", nicht Festhalten, denn wir lassen wieder los.

(Quelle: https://www.ajahnchah.org/deutsch/sich_nicht_festzulegen.php)



* * *
@Igor07: Danke für den Text von Buddhadasa Bhikkhu. Ich habe den evtl. hier sogar in meinem Bücherschrank stehen. Ich hatte mir vor längerer Zeit mal einige Bücher und Texte von Buddhadasa Bhikkhu besorgt, aber noch nicht alle gelesen. Ich mag Buddhadasa Bhikkhu´s Herangehensweise. Er wird übrigens zusammen mit P.A. Payutto als die beiden Reformer Thailands eingeordnet.

 
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Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
@mukti: Auch im von Dir verlinkten Vortrag von Ajahn Chah ist von diesem von Payutto beschriebenen "heilsamen Verlangen" (meine Übersetzung von "wholesome desire") [chanda] die Rede wenn ich es richtig verstehe:

Wenn wir überhaupt nichts halten würden, was könnten wir dann tun? Um überhaupt etwas zu tun, müssen wir die Dinge erst einmal halten, sonst könnten wir noch nicht einmal im Gehen meditieren. Sicher, es handelt sich bei diesem "Halten" um eine Art von Begehren, aber dieses Begehren führt uns zu Parami (Tugend, Perfektion). Wie zum Beispiel das Begehren, hierher zukommen. Der ehrwürdige "Jagaro"[26] kam hierher nach "Wat Pah Pong", denn er hat das Begehren gehabt, hierher zukommen. Wenn er den Wunsch, hierher kommen zu wollen, nicht gehabt hätte, wäre er jetzt nicht hier. Das gilt für alle, sie kamen hierher, weil sie es wollten. Aber wenn Begehren erscheint, sollten wir nicht daran festhalten! Ihr seid gekommen, und dann geht Ihr wieder... So wie mit der Taschenlampe. Wir halten sie, betrachten sie und sehen, "Ach, es ist eine Taschenlampe", dann legen wir sie wieder hin. Das nennen wir "Halten", nicht Festhalten, denn wir lassen wieder los.

(Quelle: https://www.ajahnchah.org/deutsch/sich_nicht_festzulegen.php)

Eine Bedeutung dürfte hier sein dass man das Heilsame nicht um seiner selbst willen begehren sollte, sondern um Nibbana zu erreichen. Wie in dem Gleichnis vom Floß, das nur zur Überfahrt dient und nicht zum Festhalten (M.22).

Payutto schreibt:

Wenn man sich den Dhamma anhört und den Schaden von mentalen Verunreinigungen versteht – dass Gier, Hass und Verblendung den Geist verunreinigen, zu unheilsamen Handlungen führen und alle möglichen Probleme kreieren – und man versteht außerdem, dass durch das Beseitigen
der Verunreinigungen der eigene Geist friedvoll, glücklich und ohne Sorge sein wird, dann erkennt man den Wert einer derartigen Freiheit von Verunreinigung. Heilsames Verlangen (chanda) ist hier die Freude an und die Neigung zu diesem Zustand der Freiheit.
...
Wenn jedoch die eigene Sehnsucht nach Nibbana mit der Idee vermengt ist, dass Nibbana ein begehrenswerter Zustand oder Ort sei, in dem man sich niederlassen kann, dann enthält diese Denkweise den versteckten Glauben, dass Nibbana Vergnügen oder gar ewiges Leben liefern wird, oder dass es schließlich zu einer Zerstörung und dem Ende des Selbst führen wird. In diesem Fall ist die Freude und der Wunsch nach Nibbana eine Form der Begierde, welche die Verwirklichung von Nibbana behindert.

Payutto-Verlangen.pdf

Man hält also am achtfachen Pfad fest um von leidbringender Gier, Hass und Verblendung befreit zu werden und stellt sich unter Nibbana kein Objekt der Sinnesfreude vor, soweit ich das verstehe.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Man hält also am achtfachen Pfad fest um von leidbringender Gier, Hass und Verblendung befreit zu werden und stellt sich unter Nibbana kein Objekt der Sinnesfreude vor, soweit ich das verstehe.

Auf der anderen Arbeit kann man finden:
Das Nichtbedingte – oder Nibbana – auf der einen Seite
ist eine absolute Wahrheit (dhamma-dhatu; wörtlich: elementare Wahrheit), die
unabhängig von konditionierenden Faktoren existiert. Es handelt sich dabei weder um ein
Wesen, noch ein Bewusstsein oder ein Selbst (nissatta-nijjiva). Es kann nicht kontrolliert
oder besessen werden, und agiert auch nicht in irgendeiner kreativen Rolle. S.13.
Man kann Nibbana nicht "erlangen", weil es unbedingt ist. Das klingt einfach rein logisch widersprüchlich. Man folgt dem Pfad, aber Nibbana passiert – das ist, anders ausgedrückt, die Realisation des Nicht-Selbst, Nicht-Ich, usw. Wenn ich richtig verstehe, @mukti.
Oder... Ich kann mit Nibbana nichts zu tun haben, denn es gibt kein "Ich" per se, nur die konventionelle Bezeichnung. Geht sehr gut in Richtung Abhidhamma. Danke nochmal, @Monthatip.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Man kann Nibbana nicht "erlangen", weil es unbedingt ist. Das klingt einfach rein logisch widersprüchlich. Man folgt dem Pfad, aber Nibbana passiert – das ist, anders ausgedrückt, die Realisation des Nicht-Selbst, Nicht-Ich, usw. Wenn ich richtig verstehe, @mukti.
Nibbana ist ein bedingtes, abhängiges Phänomen. Es ist nicht im Sinne der Ursache-Wirkungs-Kausalität bedingt. Es besteht in Abhängigkeit von unserem Geisteskontinuum und bedingt durch die Praxis des achtfachen Pfades und drückt einen Zustand unseres Geistes aus. Dieser Zustand unseres Geists ist beständig, aber nicht unbedingt.

Nibbana ist ein schwieriger Begriff, weil er eine nicht-bestätigende Negation ist. Nibbana ist die Abwesenheit aller Leidensursachen im eigenen Geist. Man hat die Vorstellung von einem eigenständig-substantiellen Selbst der Person mittels des achtfachen Pfades aufgegeben. Indem man die Leidensursachen mittels des achtfachen Pfades aufgegeben hat, erlangt man Nibbana, einen Geisteszustand, der frei ist von jeglichen fehlerhaften Ansichten. Indem Sinne kann man meines Erachtens Nibbana mit der dritten edlen Wahrheit gleichsetzen.

Die Realisation des Nicht-Selbst bedeutet meines Erachtens, dass man die falsche Vorstellung von einem eigenständig-substanziellen Selbst oder Ich aufgegeben hat. Wenn man dieses Vorstellung von einem Selbst aufgegeben hat, hat man aber nicht das Ich generell verneint, denn ein abhängig benanntes Ich, das handelt und erfährt, gibt es ja.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
mukti schrieb:
Monthatip schrieb:
@mukti: Auch im von Dir verlinkten Vortrag von Ajahn Chah ist von diesem von Payutto beschriebenen "heilsamen Verlangen" (meine Übersetzung von "wholesome desire") [chanda] die Rede wenn ich es richtig verstehe:

Ajahn Chah schrieb:
Wenn wir überhaupt nichts halten würden, was könnten wir dann tun? Um überhaupt etwas zu tun, müssen wir die Dinge erst einmal halten, sonst könnten wir noch nicht einmal im Gehen meditieren. Sicher, es handelt sich bei diesem "Halten" um eine Art von Begehren, aber dieses Begehren führt uns zu Parami (Tugend, Perfektion). Wie zum Beispiel das Begehren, hierher zukommen. Der ehrwürdige "Jagaro"[26] kam hierher nach "Wat Pah Pong", denn er hat das Begehren gehabt, hierher zukommen. Wenn er den Wunsch, hierher kommen zu wollen, nicht gehabt hätte, wäre er jetzt nicht hier. Das gilt für alle, sie kamen hierher, weil sie es wollten. Aber wenn Begehren erscheint, sollten wir nicht daran festhalten! Ihr seid gekommen, und dann geht Ihr wieder... So wie mit der Taschenlampe. Wir halten sie, betrachten sie und sehen, "Ach, es ist eine Taschenlampe", dann legen wir sie wieder hin. Das nennen wir "Halten", nicht Festhalten, denn wir lassen wieder los.

(Quelle: https://www.ajahnchah.org/deutsch/sich_nicht_festzulegen.php)
Eine Bedeutung dürfte hier sein dass man das Heilsame nicht um seiner selbst willen begehren sollte, sondern um Nibbana zu erreichen. Wie in dem Gleichnis vom Floß, das nur zur Überfahrt dient und nicht zum Festhalten (M.22).
Ich denke das passt gut!

Man hat den Wunsch/das Verlangen ans andere Ufer (Nibbāna) überzusetzen und dieser Wunsch/dieses Verlangen führt zum Wunsch/Verlangen nach einem geeigneten Mittel (Floß=Dhammastudium und -praxis). Wenn man das Ziel erreicht hat lässt man auch vom Mittel los. Alles was erreicht werden kann wurde erreicht, es gibt nichts mehr zu tun. Keine offenen Wünsche, kein Verlangen mehr.


mukti schrieb:
Payutto schreibt:

Wenn man sich den Dhamma anhört und den Schaden von mentalen Verunreinigungen versteht – dass Gier, Hass und Verblendung den Geist verunreinigen, zu unheilsamen Handlungen führen und alle möglichen Probleme kreieren – und man versteht außerdem, dass durch das Beseitigen
der Verunreinigungen der eigene Geist friedvoll, glücklich und ohne Sorge sein wird, dann erkennt man den Wert einer derartigen Freiheit von Verunreinigung. Heilsames Verlangen (chanda) ist hier die Freude an und die Neigung zu diesem Zustand der Freiheit.
...
Wenn jedoch die eigene Sehnsucht nach Nibbana mit der Idee vermengt ist, dass Nibbana ein begehrenswerter Zustand oder Ort sei, in dem man sich niederlassen kann, dann enthält diese Denkweise den versteckten Glauben, dass Nibbana Vergnügen oder gar ewiges Leben liefern wird, oder dass es schließlich zu einer Zerstörung und dem Ende des Selbst führen wird. In diesem Fall ist die Freude und der Wunsch nach Nibbana eine Form der Begierde, welche die Verwirklichung von Nibbana behindert.

Payutto-Verlangen.pdf
Man hält also am achtfachen Pfad fest um von leidbringender Gier, Hass und Verblendung befreit zu werden und stellt sich unter Nibbana kein Objekt der Sinnesfreude vor, soweit ich das verstehe.
Nach meinem bescheidenen Verständnis hast Du das gut in eigenen Worten ausgedrückt denke ich.
Man läuft vermutlich - insbesondere in den Anfängen - auf dem Pfad befindlich leicht Gefahr weltliche Sinnesbegierden auf Nibbāna zu projizieren. Das wäre ein Hindernis.
 
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Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Nibbana ist ein bedingtes, abhängiges Phänomen. Es ist nicht im Sinne der Ursache-Wirkungs-Kausalität bedingt. Es besteht in Abhängigkeit von unserem Geisteskontinuum
Hm , schaue mal, @Helmut :

So finde ich im Text von P.A. Payutto:

Asankhata-dhamma, das Nichtbedingte, wird weder erschaffen noch durch es

bedingende Faktoren unterstützt. Es wird auch visankhara genannt: der Bereich, welcher

die fünf Aggregate transzendiert, oder eben Nibbana. S. 12​
Oder:

Fussnote 6 im engl. Original: Bezeichnungen wie z.B. die Kennzeichnung „Person“ sind konventionelle
Wahrheiten. Sie sind künstlicher Natur und existieren letztendlich gar nicht – sie werden nicht durch
Vergänglichkeit und dukkha charakterisiert, da solche Charakterisierungen Entstehen und Zerfall mit enthalten.
Sie sollten jedoch als Nicht-Selbst charakterisiert werden, denn sie sind bar jeglicher existierender Substanz,
z.B. als Handelnder oder Empfängerin. Deshalb werden Bezeichnungen als Nicht-Selbst bezeichnet, genau wie
Nibbana, welches ja existiert, weil sie ja beide nicht bedingt sind (asankhata)…. sie entstehen nicht aus
bedingenden Faktoren. Nibbana ist nicht bedingt und existiert; Bezeichnungen sind nicht bedingt und existieren
nicht. S.4
Man kann hier sehr klar sehen, scheint mir, dass Nibbana nicht in Abhängigkeit von unserem Geisteskontinuum besteht, sondern vielmehr ein Zustand jenseits von Geist und Materie ist.
Also transzendiert, sozusagen, beide.

 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Nibbana
Nibbana ist ein bedingtes, abhängiges Phänomen. Es ist nicht im Sinne der Ursache-Wirkungs-Kausalität bedingt. Es besteht in Abhängigkeit von unserem Geisteskontinuum und bedingt durch die Praxis des achtfachen Pfades und drückt einen Zustand unseres Geistes aus. Dieser Zustand unseres Geists ist beständig, aber nicht unbedingt.

Nibbana ist ein schwieriger Begriff, weil er eine nicht-bestätigende Negation ist. Nibbana ist die Abwesenheit aller Leidensursachen im eigenen Geist. Man hat die Vorstellung von einem eigenständig-substantiellen Selbst der Person mittels des achtfachen Pfades aufgegeben. Indem man die Leidensursachen mittels des achtfachen Pfades aufgegeben hat, erlangt man Nibbana, einen Geisteszustand, der frei ist von jeglichen fehlerhaften Ansichten. Indem Sinne kann man meines Erachtens Nibbana mit der dritten edlen Wahrheit gleichsetzen.

Die Realisation des Nicht-Selbst bedeutet meines Erachtens, dass man die falsche Vorstellung von einem eigenständig-substanziellen Selbst oder Ich aufgegeben hat. Wenn man dieses Vorstellung von einem Selbst aufgegeben hat, hat man aber nicht das Ich generell verneint, denn ein abhängig benanntes Ich, das handelt und erfährt, gibt es ja.

Das betrifft meines Erachtens das "sichtbare Nibbana", das Nibbana zu Lebzeiten als ein Geisteszustand des erwachten Menschen:

Insofern man, Brahmane, diese restlose Erlöschung der Gier erfährt, die restlose Erlöschung des Hasses und der Verblendung erfährt, ist das Nibbana klar sichtbar, unmittelbar wirksam, einladend, zum Ziele führend, den Verständigen, jedem für sich, verständlich.
A.III.56

Über Nibbana an sich bzw. Parinibbana , wie es etwa nach dem Tod eines Arahant ist, wo es dann keine menschlichen Bezüge mehr gibt, sagt der Buddha dass es existiert, aber nicht so wie wir Existenz erfahren oder uns auch nur irgendwie vorstellen können:

Es besteht ein Reich, ihr Mönche,
wo es keine Erdenart gibt,
Wasserart nicht, Feuerart nicht,
Luftart nicht, wo kein Bereich ist
eines unbegrenzten Raumes,
oder endlosen Erfahrens,
oder 'Nicht-Etwas', und auch nicht
'Weder-Wahrnehmung noch keine',
'Diese Welt' und 'jene' – beides
gibt's dort nicht, auch 'Sonne', 'Mond' nicht.

Kommen gibt's dort nicht, so sag ich,
Gehen nicht und kein Sichstützen,[122]
Schwinden nicht und Wiederkommen:
Frei von Stützen, frei von Fort-Gang:
So ist es ganz unabhängig.
Wahrlich: Das ist Leidens Ende.
Ud.VIII.1
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Wenn P.A.Payutto schreibt wie du @Igor07 zitierst:
sie entstehen nicht aus bedingenden Faktoren. Nibbana ist nicht bedingt und existiert
widerspricht dies dem abhängigen Entstehen. Alles was existiert. existiert ausschließlich in Abhängigkeit. Auch Nibbana ist ein abhängiges Phänomen, weil es existiert. Die Verwirklichung von Nibbana ist davon abhängig, dass man den achtfachen Pfad übt.

Man kann hier sehr klar sehen, scheint mir, dass Nibbana nicht in Abhängigkeit von unserem Geisteskontinuum besteht, sondern vielmehr ein Zustand jenseits von Geist und Materie ist.
Also transzendiert, sozusagen, beide.
Dem würde ich nicht zustimmen, denn wenn Nibbana ein Zustand jenseits von Geist und Materie wäre, dann könnten wir unser Geisteskontinuum nicht vom Leiden und den Leidensursachen befreien wie es in der ersten Lehrrede von Buddha Sakyamuni dargelegt wurde.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Udana VIII.1 ist ja einer von vier Versen in denen Buddha Sakyamuni das Nibbana beschreibt, und zwar mittels Negationen. Dadurch ist es nicht ganz einfach, die Bedeutung des Verses zu verstehen. Ich denke, man muss diesen Vers interpretieren.

Der erste Teil des Verses bezieht sich ja auf die sechs Elemente aus denen die Phänomene zusammengesetzt sind. Wenn es heißt, dass es im Nibbana keine Erdenart usw. gibt, was verneint der Buddha damit und was verneint er nicht?
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Nibbana ist ein bedingtes, abhängiges Phänomen. Es ist nicht im Sinne der Ursache-Wirkungs-Kausalität bedingt. Es besteht in Abhängigkeit von unserem Geisteskontinuum und bedingt durch die Praxis des achtfachen Pfades und drückt einen Zustand unseres Geistes aus. Dieser Zustand unseres Geists ist beständig, aber nicht unbedingt.
"Ok, in Ordnung, @Helmut, kläre es bitte mit der Maschine ab. Sorry, tausendmal. Ich verdufte mich. Alles Gute, apropos ,die Anthologie "Die Insel" ist sehr empfehlenswert, echt! Wahrscheinlich, sollte ich die wieder lesen.

Diese Aussage ist nicht korrekt. Nibbana (oder Nirvana) ist im Buddhismus kein bedingtes oder abhängiges Phänomen. Es gibt mehrere Gründe, warum diese Behauptung falsch ist:

1. Nibbana ist per Definition unbedingt und unabhängig. Es wird als das "Unbedingte" (asankhata) bezeichnet und steht im Gegensatz zu allen bedingten Phänomenen[2].

2. Nibbana ist kein Zustand des Geistes im konventionellen Sinne. Es ist vielmehr das Erlöschen aller bedingten Zustände und das Ende des Leidens[2].

3. Nibbana hängt nicht vom Geisteskontinuum ab. Im Gegenteil, es ist die Befreiung von diesem Kontinuum der bedingten Existenz[2].

4. Obwohl die Praxis des Edlen Achtfachen Pfades zur Verwirklichung von Nibbana führen kann, ist Nibbana selbst nicht durch diese Praxis bedingt. Der Pfad ist das Mittel, nicht die Ursache von Nibbana[2][4].

5. Nibbana ist weder beständig noch unbeständig im konventionellen Sinne, da diese Konzepte auf bedingte Phänomene angewendet werden. Nibbana transzendiert solche Dualitäten[2].

In der buddhistischen Philosophie, insbesondere in der Madhyamaka -Tradition, wird betont, dass Nibbana weder ein "Ding" noch ein "Nicht-Ding" ist. Es kann nicht in den Kategorien von Existenz oder Nicht-Existenz, Bedingtheit oder Unbedingtheit erfasst werden[4].

Die Vorstellung von Nibbana als bedingtes Phänomen würde dem grundlegenden buddhistischen Verständnis von Kausalität und Befreiung widersprechen. Im buddhistischen Denken ist gerade die Erkenntnis der Bedingtheit und Abhängigkeit aller Phänomene (außer Nibbana) der Schlüssel zur Befreiung[1][3].

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nibbana im buddhistischen Verständnis als das ultimative Ziel der spirituellen Praxis gilt, das jenseits aller Bedingungen und Abhängigkeiten liegt. Es ist weder ein Zustand des Geistes noch ein bedingtes Phänomen, sondern die vollständige Befreiung von allen bedingten Zuständen.

Citations:
[1] https://studybuddhism.com/de/fortge...-der-mechanismus-wie-karmische-ursachen-zu-ka
[2] https://www.abhayagiri.org/media/books/Die-Insel.pdf
[3] https://de.wikipedia.org/wiki/Kausalität
[4] https://khbrodbeck.hier-im-netz.de/erkenntnis.pdf
[5] https://www.abhidhamma.de/txt_Patthana_Bz_de.pdf
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Auch Nibbana ist ein abhängiges Phänomen, weil es existiert. Die Verwirklichung von Nibbana ist davon abhängig, dass man den achtfachen Pfad übt.
Meines Erachtens ist Nibbana nicht von der Verwirklichung abhängig. Etwas das existiert ist nicht davon abhängig dass es jemand erreicht, es existiert ja bereits, ob es nun jemand erreicht oder nicht. Nur derjenige der es erreichen will ist vom Weg abhängig, der dorthin führt.

Man kann hier sehr klar sehen, scheint mir, dass Nibbana nicht in Abhängigkeit von unserem Geisteskontinuum besteht, sondern vielmehr ein Zustand jenseits von Geist und Materie ist.
Also transzendiert, sozusagen, beide.
Dem würde ich nicht zustimmen, denn wenn Nibbana ein Zustand jenseits von Geist und Materie wäre, dann könnten wir unser Geisteskontinuum nicht vom Leiden und den Leidensursachen befreien wie es in der ersten Lehrrede von Buddha Sakyamuni dargelegt wurde.
Unser Dasein besteht aus den khandha, bzw. aus Geist und Materie. Dasein ist mit Leiden verbunden, wie könnten wir also von Leiden frei werden, wenn Nibbana nicht jenseits von Geist und Materie wäre?

Es besteht, Mönche,
das Ungeborene, Ungewordene,
Ungeschaffene, Unzusammengesetzte.
Wenn dieses Ungeborene, Ungeschaffene,
Unzusammengesetzte nicht bestünde,
- nicht wäre dann ein Entrinnen
aus dem Geborenen, Gewordenen,
Geschaffenen, Zusammengesetzten
zu erkennen.

Weil aber dieses Ungeborene,
Ungewordene, Ungeschaffene,
Unzusammengesetzte besteht,[123] Mönche,
deshalb ist ein Entrinnen für das
Geborene, Gewordene, Geschaffene,
Zusammengesetzte zu erkennen.
Ud.VIII.3
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
In Ud.VIII.4. ist Nibbana direkt als "Unabhängiges" (anissitassa) bezeichnet.

nissita: 1. sich lehnend (an), sich stützend (auf); 2. unterstützt (von); 3. lebend (von); 4. bewohnend; 5. (als Präp) mit Hilfe (von), durch, mittels
a-nissita Adj PP <vgl skr śri> 1. ohne Stütze, ohne jmds Hilfe; 2. frei, selbständig
Wörterbuch

Für Abhängiges gibt es Regung.
Für Unabhängiges gibt es nicht Regung.
Ist keine Regung, so ist Ruhe.
Ist Ruhe, so ist keine Reizung.
Ist keine Reizung, so ist kein Kommen und Gehen.
Ist kein Kommen und Gehen,
so gibt es kein Schwinden und Wiedererscheinen.
Ist kein Schwinden und Wiedererscheinen,
so gibt es kein 'Diesseits', kein 'Jenseits'
und kein 'Dazwischen.'
Das ist wahrlich das Ende des Leidens.
 
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Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Udana VIII.1 ist ja einer von vier Versen in denen Buddha Sakyamuni das Nibbana beschreibt, und zwar mittels Negationen. Dadurch ist es nicht ganz einfach, die Bedeutung des Verses zu verstehen. Ich denke, man muss diesen Vers interpretieren.
Ich glaube nicht dass man Nibbana verstehen kann. Der Buddha sagt dass es existiert, weil man sonst denken könnte wenn alles negiert ist, bleibt ja nichts übrig - Nibbana wäre also das Nichts. Indem es aber existiert ist es transzendent, alles Gewordene und Bedingte übersteigend. Das wird auch bezeichnet als Gott, Wahres Sein, Ewiges Leben usw. Weil das aber wieder nur Vorstellungen sind, hat es der Buddha bei Nibbana belassen - alles was wir kennen und was wir uns vorstellen, ist es eben nicht. So sehe ich das.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Wenn Begehren die Ursache von Leid ist, dann ist Sinnesbefriedigung gefährlich. Bedeutsamer als die Frage wie man glücklich sein kann ist die Frage wie man Leiden vermeiden kann. Nichts führt so sehr zum Verzicht als das Erkennen der Gefahr; wenn ein Fisch den Angelhaken sehen könnte, würde er nicht in den Köder beißen. Alles Glück das durch Gefühle entsteht ist trügerisch, deshalb sagt Sāriputta dass Nibbāna eben deshalb ein Glück ist, weil es dort keine Gefühle gibt (A.IX.34). Der Buddha spricht in mehreren Lehrreden von der Befriedigung, der Gefahr und dem Entkommen.

Alles hat von Natur aus sein Maß, wenn man durch unmäßigen Sinnesgernuss darüber hinaus geht, entstehen Leiden. Maßhalten ist ein wichtiges Etappenziel. Wenn man durch Mäßigung, Sittlichkeit und Metta ein glücklicher Mensch geworden ist, ist das Gefägnis schon wesentlich komfortabler geworden und am Ende wird man in einen noch besseren Aufenthaltsort entlassen. "Die meisten Menschen wollen in einen Himmel kommen" liest man in alten indischen Aufzeichnungen. Hier und heute wollen die meisten Menschen nicht einmal das, geschweige denn die endgültige Befreiung. Das wird Fortschritt genannt. Täglich erleben wir die Gefahren des materiellen Fortschritts, der spirituelle Fortschritt ist in Vergessenheit geraten.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Wenn Begehren die Ursache von Leid ist, dann ist Sinnesbefriedigung gefährlich.
Auf diesen Beitrag wollte ich kurz eingehen, aber vorab bemerkt: Das ist nur meine persönliche Meinung. Die Sinnesbefriedigung per se ist nicht unbedingt gefährlich. Ich möchte das mit einem sehr einfachen Fall veranschaulichen. Ein junger Mensch, der von Hormonen überflutet ist, möchte Sex mit einem Mädchen. Wenn er das Gefühl, also den Trieb, der rein biologisch bedingt ist, unterdrücken würde, würde das nach hinten losgehen. Er würde noch mehr leiden. Der Homo sapiens war zuerst Homo erectus, wenn ich mich richtig erinnere. Also, welche Lösung wäre angemessen? Nicht daran haften, also nicht anklammern, sondern auf die innere Ebene gehen. Denn alles entsteht und vergeht, wie auch alle Mädchen, ich übertreibe hier absichtlich.

Als ich vor langer Zeit die Autobiografie von Ken Wilber gelesen hatte, schilderte er seine sehr tiefe körperliche Liebe zu einer jungen Buddhistin. Aber er wusste, dass sie ihm niemals gehören würde, und dass es nur eine Frage der Zeit war. Annehmen und dann loslassen, denn alles ist anicca , aber nicht dagegen ankämpfen. Der Unterschied, scheint mir, ist erkennbar. Das richtige Maß, also die Mäßigung, ist entscheidend.

Alles hat von Natur aus sein Maß, wenn man durch unmäßigen Sinnesgernuss darüber hinaus geht, entstehen Leiden. Maßhalten ist ein wichtiges Etappenziel. Wenn man durch Mäßigung, Sittlichkeit und Metta ein glücklicher Mensch geworden ist, ist das Gefägnis schon wesentlich komfortabler geworden und am Ende wird man in einen noch besseren Aufenthaltsort entlassen
Es ist auch sehr wichtig zu verinnerlichen, dass wir in der modernen Welt rund um die Uhr von sozialen Medien, Zeitungen, Foren, TV und Streaming-Diensten berieselt werden. Aber es gibt auch sehr tolle wissenschaftliche Artikel oder Bücher über die buddhistische Praxis im Netz. Also sollte ich das Medium einfach richtig nutzen – den mittleren Weg gehen, nicht verteufeln, aber auch nicht verherrlichen.

Abschließend bemerkt: Die ethischen Regeln betrachte ich als enorm wichtig. Man sollte immer Metta und Karuna im eigenen Herzen pflegen und kultivieren. Nur dann kann die Meditation erfolgreich sein. LG.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Ich glaube nicht dass man Nibbana verstehen kann. Der Buddha sagt dass es existiert, weil man sonst denken könnte wenn alles negiert ist, bleibt ja nichts übrig - Nibbana wäre also das Nichts. Indem es aber existiert ist es transzendent, alles Gewordene und Bedingte übersteigend.
Das sehe ich etwas anders. Es ist durchaus möglich, ein gutes begriffliches Verständnis von Nibbana, der Beendigung des Leidens, zu entwickeln. Dieses Verständnis ist natürlich noch nicht die Verwirklichung der Leidensfreiheit, aber man hat dann schon einmal ein gutes Verständnis vom Ziel der Praxis des achtfachen Pfades. Es ist natürlich schon etwas anderes, Nibbana, also die Freiheit des eigenen Geistes von Unwissenheit, Gier und Hass, zu erfahren. Und dass man selbst erfahren kann, dass man Nibbana verwirklicht hat, hat Buddha Sakyamuni ja in seiner ersten Lehrrede deutlich gemacht, indem er sagte:
"'Diese edle Wahrheit vom Ende des Leidens wurde verwirklicht': Da ging mir, ihr Mönche, in Bezug auf Dinge, die man noch nie zuvor gehört hatte, die Einsicht , das Wissen, die Weisheit, die Erkenntnis und das Licht auf." (SN 56.11, zitiert nach: Bhikkhu Bodhi , In den Worten des Buddha, Beyerlein & Steinschulte, 2011, S.68)

Auch die Auffassung, dass Nibbana etwas Transzendentes ist, das alles Gewordene und Bedingte übersteigt, halte ich für unangemessen, auch wenn man sie in vielen westlichen Kommentaren findet. Nur weil viele westliche Kommentatoren Nibbana als etwas Transzendentes auffassen, muss dies nicht zwangsläufig so sein. Diese Vorstellung überhöht meines Erachtens das Nibbana zu etwas Übernatürlichen und lenkt damit vom eigentlichen Punkt, bei dem es um die dritte edle Wahrheit geht, ab.

Nibbana ist synonym mit der dritten edlen Wahrheit und bezeichnet die Freiheit des eigenen Geistes von Unwissenheit, Gier und Hass und der sich daraus ergebenen Leidenschaften. Es ist also eine Qualität unseres eigenen Geistes, die wir anstreben. Genauso ist Samsara , die Leiden und die Leidensursachen, eine Qualität unseres Geistes, die wir überwinden wollen. Samsara und Nibbana sind also keine Phänomene, die außerhalb unseres Geisteskontinuum irgendwo über irgendwelchen Wassern schweben.

Weil Nibbana eine Qualität unseres Geistes ist, ist sie von ihm abhängig. Nibbana ist aber auch von der Praxis des achtfachen Pfades abhängig. Deshalb kann es das Gewordene und Bedingte nicht übersteigen, also unabhängig sein.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Die Sinnesbefriedigung per se ist nicht unbedingt gefährlich. Ich möchte das mit einem sehr einfachen Fall veranschaulichen. Ein junger Mensch, der von Hormonen überflutet ist, möchte Sex mit einem Mädchen. Wenn er das Gefühl, also den Trieb, der rein biologisch bedingt ist, unterdrücken würde, würde das nach hinten losgehen. Er würde noch mehr leiden.
Das ist so bei gewöhnlichen Menschen für die Wahrheitssuche nicht die höchste Priorität hat. Ein Ordinierter der Sex hat wird für immer aus dem Orden ausgeschlossen, das ist eine Regel im Patimokkha . Es gibt viele Lehrreden über die Gefahr von Sinnesbefriedigung, meistens an Bikkhus gerichtet.
 
Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Das ist so bei gewöhnlichen Menschen für die Wahrheitssuche nicht die höchste Priorität hat. Ein Ordinierter der Sex hat wird für immer aus dem Orden ausgeschlossen, das ist eine Regel im Patimokkha . Es gibt viele Lehrreden über die Gefahr von Sinnesbefriedigung, meistens an Bikkhus gerichtet.
Ja, es stimmt, aber die Wahrheitssuche sollte niemals in die Tortur der Unterdrückung ausarten. Ich denke persönlich, dass Ken Wilber, der ein echter Buddhist ist, bestimmt immer die Wahrheit suchte. Na gut, das wäre fast OT. Wahrheit bedeutet, alles zu akzeptieren, anzunehmen, am Ende loszulassen und darüber hinauszugehen, also zu transzendieren. Dann wäre es der mittlere Weg oder die goldene Mitte. Kein Problem, ich bin noch "der Gewöhnliche". Ironie, oder?;) Alles Gute. War nur meine Meinung, wenn ich darf.:)

The Fourth Turning: Imagining the Evolution of an Integral Buddhism, 2014 (Kindle-Kurzfassung)

Ach, was mir noch einfällt, das tolle Buch, am Ende er hatte die Frau gefunden, aber zu spät( der Weltbestseller, apropos), meine eigene Empfehlung.

Was hilft uns, ein freieres Leben zu führen? Auf der Suche nach einer Antwort gibt Björn Lindeblad seine Karriere in der Wirtschaft auf und entscheidet sich für ein Leben als Waldmönch im Dschungel Thailands.

Ich kann mich irren Weisheiten aus dem Leben eines buddhistischen Waldmönchs
 
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Re: Praxis Das Verlöschen des Begehrens
Auch die Auffassung, dass Nibbana etwas Transzendentes ist, das alles Gewordene und Bedingte übersteigt, halte ich für unangemessen, auch wenn man sie in vielen westlichen Kommentaren findet. Nur weil viele westliche Kommentatoren Nibbana als etwas Transzendentes auffassen, muss dies nicht zwangsläufig so sein. Diese Vorstellung überhöht meines Erachtens das Nibbana zu etwas Übernatürlichen und lenkt damit vom eigentlichen Punkt, bei dem es um die dritte edle Wahrheit geht, ab.

Nibbana ist synonym mit der dritten edlen Wahrheit und bezeichnet die Freiheit des eigenen Geistes von Unwissenheit, Gier und Hass und der sich daraus ergebenen Leidenschaften. Es ist also eine Qualität unseres eigenen Geistes, die wir anstreben. Genauso ist Samsara, die Leiden und die Leidensursachen, eine Qualität unseres Geistes, die wir überwinden wollen. Samsara und Nibbana sind also keine Phänomene, die außerhalb unseres Geisteskontinuum irgendwo über irgendwelchen Wassern schweben.

Weil Nibbana eine Qualität unseres Geistes ist, ist sie von ihm abhängig. Nibbana ist aber auch von der Praxis des achtfachen Pfades abhängig. Deshalb kann es das Gewordene und Bedingte nicht übersteigen, also unabhängig sein.
Für mich ist Nibbana nicht ausschließlich ein Geisteszustand, ein Teil der Welt, der Khandha, sondern auch etwas überweltliches, transzendentes. Die zitierten Lehrreden im Udāna interpretiere ich nicht sondern nehme sie wörtlich, wie auch alle anderen Stellen im Palikanon wo Nibbana als das Unbedingte, Ungewordene, Ungestaltete bezeichnet wird.

Zwei Arten des Nirvana hier erklärt' Uneingepflanzter klaren Aug's: Die eine Art zur Lebenszeit noch mit Bezug besteht - jedoch die Daseinsader ist versiegt; die von Bezügen freie jenseits liegt, wo gänzlich alles Werdesein entweicht. Was nicht gestaltet, wer erkannt, erlöst, von Daseinsader frei, den Kern der Dinge wer erreicht versiegensfroh: läßt alles Sein.
Itivuttakam 44

"Uneingepflanzter" - manche Übersetzungen sind kurios, aber der Sinn ist ja noch erkennbar.
 
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