Ich sehe es so: wenn ich mich auf die Lehre des Buddha einlasse, lasse ich mich auch auf satipatthāna ein, denn das ist mit der Lehre eng verwoben. Die Frage ist wie ich es in meiner Situation praktizieren kann, so wie den gesamten achtfachen Pfad freilich nur teilweise und unvollkommen. Wie ich auch die Anleitungen in den hier angegebenen Lehrreden nur teilweise und unvollkommen praktiziere:
Ja
@mukti, das geht mir genauso, denn wir sind Hausleute und keine Mönche. Ein teilweises (und in meinem Fall bestenfalls ansatzweises) Praktizieren von satipatthāna ist für mich sati, jedenfalls hatte ich es bisher so verstanden. Wenn sati und satipatthāna ein und dasselbe ist, wozu dann zwei Begriffe? Offenbar ist die Definition in der Kommentarliteratur nicht einheitlich. Da ich kein
Pali verstehe, bin ich auf Sachkundige angewiesen und für mich ist Paul Debes ein solcher. Er hat das Wesen der beiden Begriffe für mein Verständnis sehr anschaulich herausgearbeitet, ich hänge den Text unten an.
Auf die Gefühle zu achten um ein glücklicheres Leben zu erreichen ist heilsam im weltlichen Sinn, um vollständige Befreiung von Dukkha zu erlangen ist heilsam im überweltlichen Sinn. Auch wenn man in der Sittlichkeit noch lange nicht vollkommen ist, kann man zuweilen die Gefühle mit einer überweltlichen Perspektive betrachten, nach der rechten Ansicht die alle khandha betrifft: "Das bin ich nicht, gehört mir nicht, ist nicht mein Selbst". Dabei kann man ja im Auge behalten dass es für die vollständige Verwirklichung eine Voraussetzung ist, sich auf der weltlichen Ebene zu verbessern.
So sehe ich das und vielleicht hat es Fritz Schäfer auch so gesehen und nur anders ausgedrückt.
So sehe ich es auch und wie es FS gemeint hat, können wir leider nicht mehr nachfragen.
Nachfolgend die Ausführungen von P. Debes zu dem Thema:
Wahrheitsgegenwart (sati)
Das Paliwort
sati ist abgeleitet von
sarati (erinnern);
sati bedeutet wörtlich: das Eingedenksein, die Erinnerung. Es heißt von dem Heilsschüler, der
sati hat: „
Was da einst gesagt und getan wurde, daran denkt er, daran erinnert er sich. " (M 53) Wessen ist der mit
sati als Heilsfähigkeit ausgestattete Mensch eingedenk? Bei allem Tun und Lassen bleibt der
ariya savãko, der Heilsgänger, welcher den täuschungsfreien Anblick der Wahrheit gewonnen hat, eingedenk dieses Anblicks und der zum Heil führenden Gesinnungs- und Verhaltensweisen.
In Gleichnissen (z.B. A VII,63) gilt „Wahrheitsgegenwart" als der Torwächter, der alles Eindringende (die sinnlichen Eindrücke und die durch sie unmittelbar ausgelösten Bewertungen und Willensabsichten) kontrolliert. Die ersten unmittelbaren Bewertungen gehen von der Erfahrung der Triebe aus: „
Wohl tut das, weh tut das. " Da sagt nun der Torwächter, also die Wahrheitsgegenwart: „Halt, wer bist du, der du so urteilst; ich weiß, dass es falsche Urteile gibt. Darum lass erst sehen, wer du bist."
Wahrheitsgegenwart braucht jeder, der ein Ziel verfolgt, auch wenn es ein weltliches oder gar ein verbrecherisches ist. Die gewöhnliche
sati ist daher inhalts- und zielneutral. Aber
sati als Heilskraft kann aus sich allein nicht verstanden werden, sondern bezieht sich auf die Lehre, denn dieser gilt es eingedenk zu sein: eingedenk der Wahrheit des Leidens und des wahren, ewigen Wohls und der vollkommenen Befreiung von allem Leiden.
Weil diese Wahrheitsgegenwart den sinnlosen Schwung der auf Sinnliches gerichteten programmierten Wohlerfahrungssuche anhält, die einzelnen Dinge festhält, so dass die Weisheit sie betrachten kann, darum wird auch von der Wahrheitsgegenwart gesagt, sie beherrsche, kontrolliere alle Dinge (A X,58). Auch wird von ihr gesagt (Sn 1034/1035), sie sei wie die Deiche die Hemmung des Stromes, so dass der Strom sich nicht in das Land ergießen kann, sondern gesammelt auf sein Ziel zustrebt.
Ähnlich vergleicht der Erwachte in A V,51 den in den fünf Hemmungen lebenden Menschen mit einem Strom, der in der Landschaft völlig zerrinnt, weil seine Deiche aufgebrochen sind. Der auf der fünffachen Sinnlichkeit gründende Strom der fünf Hemmungen wird durch sati gehemmt. Durch die sati-gemäße Bewertung aller Erscheinungen nehmen Anziehung und Abstoßung (Gier und Hass) ab, dadurch werden alle Wahrnehmungen mit viel weniger Gefühlsver-fälschung (moha = Blendung) in den Geist eingetragen. Dadurch entsteht geringerer Durst (
tanha ).
Der Erwachte sagt ausdrücklich, dass sati, die Wahrheitsgegenwart, der Hüter und Fürsorger des Geistes sei (S 48,42). D.h. der Geist, der bei fast allen Wesen hauptsächlich erfüllt ist von dem, was die fünf Sinnesdränge in den Geist eingetragen haben, wird durch die rechte Wahrheitsgegenwart der wahren Leidenszusammenhänge und der Möglichkeit des Heils umerzogen, indem das Denken nicht mehr von einem der weltlichen Eindrücke zum anderen läuft, sondern sich immer mehr mit der Betrachtung der Möglichkeiten der gesamten Befreiung beschäftigt. So ist sati der Erlöser von den Samsãra-indriya. In der gleichen Lehrrede wird weiter gesagt, dass der Hüter und Fürsorger der Wahrheitsgegen-wart (sati) die Erlösung (vimutti) sei. Dahin also führt die sati, wenn sie in der rechten Weise und nach Erfüllung der Voraussetzungen eingesetzt wird.
7. Glied des achtgliedrigen Heilsweges: Heilende rechte Wahrheitsgegenwart, rechte Beobachtung (ariya sammã-sati)
Sati gehört zu den Heilungseigenschaften, die der Erwachte als
indriya, Heilskräfte, bezeichnet.
Sati oder
sarati heißt „sich erinnern". Wenn der Erwachte von
sati spricht, dann ist darunter im engeren Sinne zu verstehen, dass man sich der Lehre erinnert, dass man das Bild der Existenz vor Augen hat, wie er es mit seiner Lehre zeigt. Darum übersetzen wir
sati mit
Wahrheitsgegenwart. Im weiteren Sinne ist mit
sati gemeint, dass man sich der eigenen körperlichen und geistigen Vorgänge erinnert, sie gegenwärtig hat, sie beobachtet - darum übersetzen wir
sati auch mit Selbstbeobachtung - und sie, wenn erforderlich, so lenkt, wie die Lehre einen anleitet.
Sati bedeutet also erstens, insgesamt die Entwicklung auf das Heil hin im Auge zu haben, und zweitens der jeweiligen körperlichen, geistigen und triebhaften Vorgänge und Eigenschaften gewärtig zu sein, sich ihrer bewusst zu sein, sie zu beobachten.
Die praktische Tätigkeit von
sati wird in M 117 beschrieben. Da wird an den ersten fünf Gliedern des achtgliedrigen Heilsweges erläutert, wie schon zu deren Erwerb immer die Wahrheitsgegenwart erforderlich ist.
Sati, der wahrheitsgegenwärtige Torhüter, ist am Anfang des Heilsweges noch nicht „in der Festung", in diesem Körper. Es bedarf einer weitgehenden Minderung von Gier und Hass im Herzenshaushalt, bis die
sati immer am Tor der Gegenwart gegenwärtig sein kann.
Wer die Kraft der Wahrheitsgegenwart gewonnen hat, wem das vom Erwachten gezeigte Bild der Daseinszusammenhänge immer gegenwärtig ist, der ist in der Lage, die vierfache Selbstbeobachtung,
Satipatthãna, konzentriert durchzuhalten. Die vier
Satipatthãna-Übungen werden nur für denjenigen fruchtbar, der von der gesamten weltlichen Vielfalt innerlich und äußerlich abgeschieden, abgelöst ist. So heißt es bei der Beschreibung der Satipatth
ãna-Übung (M 10, D 22) nicht weniger als vierzehnmal:
„uneingeplanzt verharrt er und nichts in der Welt ergreift er", und das große Versprechen am Ende von M 10 (in sieben Tagen das Nibb
ãna zu erreichen) lässt erkennen, dass Satipatth
ãna nicht von im Weltlichen Befangenen zu üben ist. In M 125 wird die Satipatth
ãna-Übung in genau dem gleichen Status begonnen wie der Eintritt in die weltlosen Entrückungen, nämlich nach Aufhebung der fünf Hemmungen.
Im Entwicklungsgang (Tath
ãgata-Gang) wird von den gesamten Satipatth
ãna-Übungen nur klarbewusster Einsatz des Körpers
(sampaj-ãnakãri) für den Eingang zu den weltlosen Entrückungen genannt.
Bei der
ersten Satipatthäna-Übung macht er den Körper zum betrachteten Objekt. Damit rückt der Körper für ihn als Betrachtungsobjekt an die Stelle der Welt, in das „Außen", d.h. er identifiziert sich nicht mehr mit dem Körper.
Indem er sodann bei der
zweiten Satipatthãna-Übung die Gefühle beobachtet, werden auch diese zum „Außen". Wer nun solche Dinge beobachtet, mit denen er sich vorher identifiziert hatte, der wird sie, wenn er sie nur lange genug zum Gegenstand der Beobachtung macht, dadurch als Außen empfinden, sich nicht mehr mit ihnen identifizieren. Das ist der tiefere Sinn der gesamten Satipatth
ãna-Übung
. Hier erst wird die endgültige Konsequenz gezogen aus der
Einsicht , dass die fünf Zusammenhäufungen kein „Ich" sind, und zwar nicht verstandesmäßig, sondern im unmittelbaren Erleben. Hier werden die letzten Ich-Identifikationen und Ich-Empfindungen aus den fünf Zusammenhäufungen herausgezogen.
Bei der
dritten und vierten Satipatthãna-Übung - der Beobachtung, dem Gewärtighalten der Regungen des Herzens und der Erscheinungen - hört die Identifikation mit den Erscheinungen des Herzens auf, und dabei erfahren die Tendenzen ihre letzte Minderung bis zur vollkommenen Auflösung.
Quelle: Paul Debes "Begriffe der Buddha-Reden mit Erklärungen"
Herausgeber Buddhistisches Seminar Bindlach 2. Auflage 2006