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Re: Theravada meine Meinung
Im Dhammapada lese ich:

(*183) 183
Kein Unrecht tun und immer nach dem Guten trachten,
Sein Denken reinigen: dies lehren die Erwachten.
Das ist die Kurzfassung der Lehre des Buddha. Hätten wir dies auch ohne die Erwachten von selbst erkannt?
 
Re: Theravada meine Meinung
Das ist die Kurzfassung der Lehre des Buddha. Hätten wir dies auch ohne die Erwachten von selbst erkannt?
Klar doch, das ist für mich selbstverständlich. Wenn ich das Unheilsame in Körper, Sprache oder Geist zulasse, schade ich mir selbst. Man kann es anders ausdrücken: paṭicca-samuppāda ist /wie/ ein Naturgesetz, ähnlich wie die Gravitation. Meine Messlatte ist und bleibt mein Inneres, keine Person – so der Sinn des Kalama Sutta. Mehr kann ich nicht hinzufügen.
In Metta , @Helmut .
 
Re: Theravada meine Meinung
Wenn man das Dharma im eigenen Bewusstseinskontinuum verwirklicht hat, dann hat man natürlich einen inneren Kompass an dem man sein Handeln heilsam ausrichten kann. Darüber hinaus hilft einem dieser Kompass eben auch, das Nibbana zu verwirklichen.
 
Re: Theravada meine Meinung
mukti schrieb:
Lieber @Igor07, warum sollte ich auf den Professor Michael Zimmermann hören, wenn er doch selber sagt: "Alles, was wir hier erörtern, ist Spekulation"?

Na ja, ich denke, der vernünftige Mensch, der nicht blind allen möglichen Quellen Glauben schenkt – denn das wäre folglich Dogma –, hat nur zwei Optionen.
Entweder arbeite ich mit Dukkha ; das Leiden kann ich unmittelbar erleben und erfahren, und wenn ich dem Pfad folge, kann ich besser damit umgehen. Oder ich klammere mich an alles Mögliche, weil ich Angst oder Unsicherheit vor dem Leben, so wie es ist, habe.
Und wenn du eine dritte Option siehst, dann ist das deine freie Entscheidung, @mukti .

Also kein blinder Glaube und keine Spekulation, sondern dem Pfad folgen, um besser mit dem Leiden umgehen zu können. Ja, ist doch vernünftig so.
 
Re: Theravada meine Meinung
Also kein blinder Glaube und keine Spekulation, sondern dem Pfad folgen, um besser mit dem Leiden umgehen zu können. Ja, ist doch vernünftig so.
Der Pfad kann als der innere Zustand verstanden werden; man kann nicht anders oder man kann nichts dafür.

Den echten Buddhismus findet man in keinen Sutren; sie stellen alle nicht mehr als einen Hinweis dar, sondern im eigenen Herz-Geist.

So ist es, was ich meine:


„Wahrlich, so sage ich, o Freund: Nicht ist man imstande, durch Gehen das Ende der Welt zu erreichen, da, wo es weder Geburt gibt, noch Altern und Sterben, weder Erstehen, noch Abscheiden. Doch nicht kann man, sage ich, o Freund, ohne der Welt Ende erreicht zu haben, dem Leiden ein Ende machen. Das aber verkünde ich, o Freund: In eben diesem klafteftlerhohen, mit Wahrnehmung und Bewusstsein versehenen Körper, da ist die Welt enthalten, der Welt Entstehung, der Welt Ende und der zu der Welt Ende führende Pfad.
Durch Gehen kann man nie gelangen
bis an das Ende dieser Welt;
doch ohne dies erreicht zu haben,
wird man vom Leiden nimmer frei.
Daher ein weiser Weltenkenner,
der, heilig, hin zum Ende kam,
der, still geworden, um das Weltenende weiß,
verlangt nicht mehr nach dieser Welt und jener.“
([SN 2, 26] und AN 4, 45 – Übers.: Ñāṇatiloka Bhikkhu )
 
Re: Theravada meine Meinung
Das Zitat zeigt ja, dass nicht nur der Pfad ein innerer Prozess ist, sondern auch die Wahren Ursprünge und die wahren Beendigungen. "der Welt Entstehung, der Welt Ende und der zu der Welt Ende führende Pfad" sind ja Synonyme für die Wahren Ursprünge, Wahren Beendigungen und Wahren Pfade.

Dass die Sutren kein echter Dharma sind, sondern nur die inneren Verwirklichungen des Dharma, würde ich allerdings nicht sagen. Die Sutren bilden meines Erachtens die Grundlage für die eigene innere Verwirklichung des Dharmas. Ohne die Lehrreden des Buddhas wüssten wir ja kaum etwas über die vier edlen Wahrheiten . Durch die Lehrreden lernen wir, was wir erkennen müssen und dann praktizieren sollten, um Samsara vollständig zu überwinden. Das Ende der Welt ist ja nichts anderes als Nibbana. Wenn wir Nibbana verwirklicht haben, dann brauchen wir die Lehrreden allerdings nicht nicht mehr.
 
Re: Theravada meine Meinung
Wenn wir Nibbana verwirklicht haben,
@Helmut ,

Mit allem Respekt, aber Nibbāna kann man nicht verwirklichen, das ist doch unbedingt. Wir schaffen nur anhand des Pfades die Voraussetzungen dafür, mehr aber nicht.

So lese ich:

"Es besteht, Mönche,
das Ungeborene, Ungewordene,
Ungeschaffene, Unzusammengesetzte.
Wenn dieses Ungeborene, Ungeschaffene,
Unzusammengesetzte nicht bestünde,
- nicht wäre dann ein Entrinnen
aus dem Geborenen, Gewordenen,
Geschaffenen, Zusammengesetzten
zu erkennen.



Weil aber dieses Ungeborene,
Ungewordene, Ungeschaffene,
Unzusammengesetzte besteht,[123] Mönche,
deshalb ist ein Entrinnen für das
Geborene, Gewordene, Geschaffene,
Zusammengesetzte zu erkennen."
Ud.VIII.3. NIRVANA (3)
 
Re: Theravada meine Meinung
Mit allem Respekt, aber Nibbāna kann man nicht verwirklichen, das ist doch unbedingt. Wir schaffen nur anhand des Pfades die Voraussetzungen dafür, mehr aber nicht.
Lieber @Igor07, das habe ich nicht korrekt verstandeṇ. Schau mal, http://studybuddhism.com/de/fortges...den-unterschiedlichen-buddhistischen-systemen - vielleicht weichen die Lehrmeinungen unserer Schulen hier ein wenig voneinander ab, (... und dann ist noch zu bedenken: Hinayana ist nicht = Theravada , sondern Vaibāṣhika/ Sautrāntika).
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe nicht zwangsläufig aus dem Blickwinkel der Gelug-Prasangika-Madhyamaka, sondern dem Standpunkt meiner Gesprächspartner entsprechend, (auf die ich bemüht bin, einzugehen), sodass es uns möglich ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Re: Theravada meine Meinung
Die Perspektive des Theravada unterscheidet sich von anderen.

Wenn ich @Igor07 richtig verstehe schreibt er aus Theravasichtweise, oder? Das kann schon mal verwirren….

In Metta🙏
 
Re: Theravada meine Meinung
In Udana VIII.3 heißt es wie @Igor07 in Beitrag #82 zitiert:

"Es besteht, Mönche,
das Ungeborene, Ungewordene,
Ungeschaffene, Unzusammengesetzte."

Aber was ist denn dieses Ungeborene, Ungewordene,
Unerschaffene, Unzusammengesetzte?

Worauf bezieht sich denn diese Bezeichnung, die ja etwas Beständiges charakterisiert?
 
Re: Theravada meine Meinung
Gerne möchte ich dazu beitragen und den Ehr. Nagasena aus dem - Milindapanha -zitieren der dem König einst antworte;

‚ gerade Du, oh König,

vom Weltmeer, das doch etwas wirklich Existierendes ist, sagst, das man weder sein Wasser messen, noch die darin hausenden Wesen zählen könne:

So auch kann man vom Nibanna, obwohl es etwas wirklich Existierendes ist, dennoch keine Form, Gestalt, Dauer, und Größe angeben....

...Nicht hinsichtlich seiner wahren Beschaffenheit, oh König, wohl aber hinsichtlich seiner Merkmale lässt sich einiges durch Gleichnisse andeuten‘...

Dann erklärt der Ehr.Nagasena der Reihe nach die Merkmale.

Doch möchte ich Euer interessantes Gespräch nicht weiter unterbrechen...🙇‍♀️
 
Re: Theravada meine Meinung
Natürlich hat @Igor07 Recht. Wir verwirklichen mit dem achtfachen Pfad natürlich nicht das Nibbana, sondern die Beendigung der wahren Ursprünge des Leidens. Und wenn unser Geist frei ist von Unwissenheit, Gier und Hass, dann erleben wir die ursprünglich Qualität unseres Geistes, die auch Nibbana genannt wird. Aufgrund unserer Verblendung, unserer Begierde und unseres Hasses können wir diese Qualität unseres Geistes jetzt noch nicht erleben.

Ich denke, mit ungeboren, ungeworden, ungeschaffen und unzusammengesetzt (Ud VIII.3) wird Nibbana charakterisiert. Damit verdeutlicht der Buddha, dass Nibbana, die Beendigung der wahren Ursprünge, ein beständiges Phänomen ist. Hat man einmal Samsara überwunden, weil die Ursprünge des Leidens beendet wurden, dann fällt man nicht wieder in Samsara zurück. Man muss die wahren Beendigungen nicht immer wieder neu verwirklichen. Deshalb heißt es ja auch, wenn die wahren Beendigungen verwirklicht wurden, dann gibt es nichts mehr zu verwirklichen.
 
Re: Theravada meine Meinung
Wenn ich @Igor07 richtig verstehe schreibt er aus Theravasichtweise, oder? Das kann schon mal verwirren….
Klar doch, @S-Mater-G , bestimmt nicht anders. Es steht doch im "Theravada-Bereich".

Ich kann das Ganze mit eigenen Worten erklären.

Das sogenannte "Selbst" entpuppt sich als Illusion, denn alle Khandha sind vergänglich und bedingt entstanden.

Das würde jedoch nicht bedeuten, dass der Arahat keine Schmerzen mehr hat. Man kann in den Sutren lesen, wie der Buddha unter Rückenschmerzen litt; auch seine Krankheit war am Ende tödlich. Der blutige Durchfall, der Durst – er war kein Gott, so sehe ich es.

Aber er hatte keine innere Identifikation mehr mit dem Körper.

Das sogenannte "Ich" kann man als Prozess verstehen; alles ist nicht mehr als der Fluss der Veränderung, alles stellt sich dar wie der Prozess des Fließens, aber es gibt keinen "Fluss". So habe ich es verstanden, und das macht doch Sinn.
 
Re: Theravada meine Meinung
Der Unterschied zwischen einem Verblendeten und einem Erwachten ist, dass der Erwachte über das Wesen des Ich bewusst ist, er weiß dass es Identifikation ist und nicht als unabhängiges Selbst existiert. Sein Ich ist sozusagen transparent geworden, es ist keine unentbehrliche Instanz mehr, nur eine Erscheinung die mit Körper und Geist verbunden ist. Er kann sie jederzeit ohne Verlustangst aufgeben, er hängt nicht daran, haftet nicht an sich selber, will nichts für sich selber erreichen. Das ist das sichtbare Nibbana, die vollständige Ich-Auflösung ist wohl Parinibbana . Das kann vorübergehend in der Meditation sein oder nach dem Tod.
Das ist mit meinen unbeholfenen Worten ausgedrückt. Eine Meinung, bei der mangelnde Erfahrung durch Schlussfolgerung ergänzt ist. Versuche der Annäherung an rechte Ansicht haben ja nicht den Zweck das Ego zu füttern.
 
Re: Theravada meine Meinung
Die Annäherung an die rechte Ansicht dient ja gerade dazu, die falsche Vorstellung von einem Ego aufzugeben. Eine rechte Ansicht bezüglich des Ichs besteht meines Erachtens darin zu erkennen, dass es das vorgestellte Ego nicht gibt, aber dass es sehr wohl ein abhängiges konventionelles Ich gibt. Indem wir das Ego verneinen, verneinen wir nicht generell dass es ein Ich gibt, aber dieses existiert eben nicht aufgrund eines Eigenwesens.
 
Re: Theravada meine Meinung
Richtige Auseinandersetzung mit der Lehre hat also nicht den Zweck für sich selber oder für andere etwas zu gelten, sondern die Wahrheit zu finden und Dukkha zu beenden. Fortschritt zeigt sich nicht in den Kenntnissen, sondern in der Fähigkeit danach zu handeln in Werken, Worten und Gedanken.
Das Ich hat kein Eigenwesen, sondern entsteht mit dem Begehren und Ergreifen. Ich bin nicht weil ich bin, sondern weil ich mich in den Dingen finde die vergänglich und mit Dukkha verbunden sind. Es gibt doch eigentlich keinen Grund, auf diese Verblendung stolz zu sein, besser "man behält sich selbst im Auge wie einen feindlichen und hinterlistigen Menschen" (Epiktet). Unwissenheit und Begehren reichen bis in die feinsten Regungen des Geistes, wo sie oft nicht bewusst sind. Es ist schon erstaunlich, wie durch das bloße Anhängen an Gefühle und Gedanken Streit, Kampf und sogar ein Weltkrieg entstehen kann.
Ich bin ein Kranker unter Kranken und der Buddha ist der Arzt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Re: Theravada meine Meinung
Es ist ja nicht allein das bloße Anhängen an Gefühlen und Gedanken, die Streit, Kampf usw. entstehen lassen. Diesem Anhängen liegt ja die von dir, @mukti , genannte Unwissenheit zugrunde, die tief in unserem Geist verwurzelt ist. Sie ist meines Erachtens die eigentliche Ursache der Probleme.

Diese Unwissenheit besteht ja in der Auffassung eines eigenständig-substanziellen Selbst der Person. So erscheint uns unser Ich in unserer alltäglichen weltlichen Sicht und wir sind so sehr an diese Sichtweise gewöhnt, dass wir sie für die Wirklichkeit halten. Aufgrund dieser Sichtweise entwickeln wir Anhaftung an die Personen und Phänomene, die wir als förderlich für unser vorgestelltes eigenständig-substanzielles Selbst halten und Abneigung gegen diejenigen, die wir als schädigend für dieses Ich halten. Auf dieser Grundlage entstehen Gier und Hass und die drei Geistesgifte stützen sich dann gegenseitig. So entstehen Streit, Kampf und sogar Kriege. Dies illustriert der aktuelle Präsident der USA mit seinem politischen Verhalten sehr plastisch.
 
Re: Theravada meine Meinung
Diese Unwissenheit besteht ja in der Auffassung eines eigenständig-substanziellen Selbst der Person. So erscheint uns unser Ich in unserer alltäglichen weltlichen Sicht und wir sind so sehr an diese Sichtweise gewöhnt, dass wir sie für die Wirklichkeit halten.
Lieber @Helmut, nicht nur Du schreibst: "So erscheint uns unser Ich" oder "wir sind so sehr an diese Sichtweise gewöhnt"; ... was meinst Du, hält es niemand für möglich, sich bereits zu Lebzeiten (zumindest ein ordentliches Stück) von dieser Sichtweise distanziert zu haben?
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe nicht zwangsläufig aus dem Blickwinkel der Gelug-Prasangika-Madhyamaka, sondern dem Standpunkt meiner Gesprächspartner entsprechend, (auf die ich bemüht bin, einzugehen), sodass es uns möglich ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Re: Theravada meine Meinung
Aufgrund dieser Sichtweise entwickeln wir Anhaftung an die Personen und Phänomene, die wir als förderlich für unser vorgestelltes eigenständig-substanzielles Selbst halten und Abneigung gegen diejenigen, die wir als schädigend für dieses Ich halten. Auf dieser Grundlage entstehen Gier und Hass und die drei Geistesgifte stützen sich dann gegenseitig. So entstehen Streit, Kampf und sogar Kriege. Dies illustriert der aktuelle Präsident der USA mit seinem politischen Verhalten sehr plastisch.
Es gibt hier, meiner Meinung nach, die andere Seite derselben Medaille. Ich sollte den starken Wunsch haben, dem Pfad zu folgen, ich sollte mich um die Befreiung bemühen. Ich sollte Metta üben. Soweit ich es verstanden habe, kann man in den Texten nicht finden, dass es keine Person gibt; sowohl der Buddha selbst als auch die Arahants waren sehr starke und einzigartige Persönlichkeiten. Der Buddha hat seine Lehre mehr als 40 Jahre verbreitet, er hat mit enorm vielen Leuten gesprochen, sowohl mit Königen als auch mit Haushaltern, er hat den Orden gegründet. Das alles verlangt sehr starkes persönliches Wollen, also cetana. Was ich sagen wollte: Auch gegen meine eigenen Geistesgifte sollte ich bewusst und absichtlich vorgehen, also ich brauche mein Selbst; es sollte nur richtig verstanden werden, wie es zustande kommt.
 
Re: Theravada meine Meinung
Es ist ja nicht allein das bloße Anhängen an Gefühlen und Gedanken, die Streit, Kampf usw. entstehen lassen. Diesem Anhängen liegt ja die von dir, @mukti , genannte Unwissenheit zugrunde, die tief in unserem Geist verwurzelt ist. Sie ist meines Erachtens die eigentliche Ursache der Probleme.
Sicher, Begehren und Anhängen ist durch Unwissenheit bedingt. Bloßes Ansammeln von Wissen und logisches Schlussfolgern kann diese zutiefst in die Existenz hinabreichende Unwissenheit nicht beenden, durch meditative Geistesentfaltung (bhāvanā) ist es möglich.

Diese Unwissenheit besteht ja in der Auffassung eines eigenständig-substanziellen Selbst der Person. So erscheint uns unser Ich in unserer alltäglichen weltlichen Sicht und wir sind so sehr an diese Sichtweise gewöhnt, dass wir sie für die Wirklichkeit halten. Aufgrund dieser Sichtweise entwickeln wir Anhaftung an die Personen und Phänomene, die wir als förderlich für unser vorgestelltes eigenständig-substanzielles Selbst halten und Abneigung gegen diejenigen, die wir als schädigend für dieses Ich halten. Auf dieser Grundlage entstehen Gier und Hass und die drei Geistesgifte stützen sich dann gegenseitig. So entstehen Streit, Kampf und sogar Kriege. Dies illustriert der aktuelle Präsident der USA mit seinem politischen Verhalten sehr plastisch.
Es wird so erlebt als wäre man ein Selbst das alles andere erfährt, aber nur das Bewusstsein erfährt alles andere. Aufgrund von Unwissenheit und Begehren nimmt es ein Ich an, das dann allen Wahrnehmungen vorangeht: Ich sehe, höre, denke, fühle usw. Das Angenehme will ich haben und vermehren, das Unangenehme will ich vermeiden und loswerden. Als wäre ich der Herrscher, obwohl ich doch eigentlich beherrscht werde, vollkommen abhänge von geistigen und körperlichen Phänomenen. Selber ein unbedeutendes, vorübergehendes Phänomen, scheint dieses Ich das Wichtigste in der Welt zu sein und wenn es das Mächtigste in der Welt wird, dann hat man es ja geschafft, für ein paar Jahre.
 
Re: Theravada meine Meinung
Lieber @Helmut, nicht nur Du schreibst: "So erscheint uns unser Ich" oder "wir sind so sehr an diese Sichtweise gewöhnt"; ... was meinst Du, hält es niemand für möglich, sich bereits zu Lebzeiten (zumindest ein ordentliches Stück) von dieser Sichtweise distanziert zu haben?
Man kann sich natürlich auch zu Lebzeiten in Samsara von der Ansicht eines eigenständig-substanziellen Selbst der Person befreien. Aufgrund der starken Gewöhnung an diese Sicht ist es aber auch nicht so ganz einfach, aber es ist nicht unmöglich. Mittels Analyse können wir ja überprüfen, ob die Person tatsächlich so eigenständig-substanziell existiert wie sie uns erscheint. Wenn wir eine gute begriffliche Erkenntnis entwickelt haben, dass die Person nicht so existiert wie sie uns erscheint, und wir dies tiefer kontemplieren und mit der Weisheit, die aus der Kontemplation entsteht, in die Meditation gehen und so die Weisheit weiter vertiefen, werden wir die unmittelbare Erkenntnis erlangen, dass die Person nicht eigenständig-substanziell existiert. Und dies ist ein wesentlicher Umstand für die Befreiung aus Samsara.
 
Re: Theravada meine Meinung
Vielen Dank für Deine Antwort, lieber @Helmut . 🙏
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe nicht zwangsläufig aus dem Blickwinkel der Gelug-Prasangika-Madhyamaka, sondern dem Standpunkt meiner Gesprächspartner entsprechend, (auf die ich bemüht bin, einzugehen), sodass es uns möglich ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Re: Theravada meine Meinung
Auch auf die Gefahr hin, mit dem Argumentationsniveau einer Vierjährigen den Ansprüchen nicht ganz gerecht zu werden, möchte ich, um diesem Faden einen Abschluß zu geben, doch noch einmal auf das ursprüngliche Thema "Meinung" zurückkommen. Bei der Lektüre eines Buches, welches schon viele Jahre in meinem Bücherschrank steht und in dem ich hin und wieder mit Gewinn und Freude lese, kam mir unlängst ein Beitrag von Werner Heisenberg in Erinnerung, der, wie mir scheint, vielleicht zu dem Thema auszugsweise und abschließend passen könnte.

Im Rahmen der Solvay-Konferenz 1927 saßen am Abend im Hotel noch einige der jüngeren Mitglieder des Kongresses zusammen, darunter Wolfgang Pauli, Werner Heisenberg und Paul Dirac. Man sprach über Religion im Allgemeinen und Albert Einsteins Position zu dem Thema im Besonderen. Jemand bemerkte, daß man sich doch eigentlich nicht vorstellen könne, daß ein Naturwissenschaftler wie Einstein eine starke Bindung an eine religiöse Tradition besitzt. Werner Heisenberg berichtet über den Verlauf der Diskussion unter anderem wie folgt:

"Wolfgang Pauli pflichtete der Sorge bei... ,Einstein hat ein Gefühl für die zentrale Ordnung der Dinge. Er spürt diese Ordnung in der Einfachheit der Naturgesetze. Man kann annehmen, daß er diese Einfachheit bei der Entdeckung der Relativitätstheorie stark und unmittelbar erlebt hat. Freilich ist von hier noch ein weiter Weg zu den Inhalten der Religion. Einstein ist wohl kaum an eine religiöse Tradition gebunden, und ich würde glauben, daß die Vorstellung eines persönlichen Gottes ihm ganz fremd ist. Aber es gibt für ihn keine Trennung zwischen Wissenschaft und Religion. Die zentrale Ordnung gehört für ihn zum subjektiven ebenso wie zum objektiven Bereich...' "

Heisenberg schreibt weiter:

"Inzwischen hatte sich Paul Dirac zu uns gesetzt, der, damals kaum 25 Jahre alt, für Toleranz noch nicht viel übrig hatte.
,Ich weiß nicht, warum wir hier über Religion reden', warf er ein. ,Wenn man ehrlich ist - und das muß man als Naturwissenschaftler doch vor allem sein, muß man zugeben, daß in der Religion lauter falsche Behauptungen ausgesprochen werden, für die es in der Wirklichkeit keinerlei Rechtfertigung gibt. Schon der Begriff ,Gott' ist doch ein Produkt der menschlichen Fantasie. Man kann verstehen, daß primitive Völker, die der Übermacht der Naturkräfte mehr ausgesetzt waren als wir jetzt, aus Angst diese Kräfte personiflziert haben und so auf den Begriff der Gottheit gekommen sind. Aber in unserer Welt, in der wir die Naturzusammenhänge durchschauen, haben wir solche Vorstellungen doch nicht mehr nötig.'


Heisenberg weiter:

"So ging die Diskussion noch eine Zeit lang hin und her und wir wunderten uns, daß Wolfgang [Pauli] sich nicht weiter beteilige. Er hörte zu, manchmal mit etwas unzufriedenem Gesicht, manchmal auch maliziös lächelnd, aber er sagte nichts. Schließlich wurde er gefragt, was er dächte. Er schaute beinahe erstaunt auf und meinte dann: ,Ja, ja, unser Freund Dirac hat eine Religion; und der Leitsatz dieser Religion lautet; Es gibt keinen Gott und Dirac ist sein Prophet.' Wir alle lachten, auch Dirac, und damit war unser abendliches Gespräch in der Hotelhalle abgeschlossen...
Einige Zeit später..., erzählte ich Niels Bohr von unserem Gespräch...

,Ich glaube, es war sehr gut', meinte Niels, ,daß Dirac so energisch auf die Gefahr der Selbsttäuschung und der inneren Widersprüche hingewiesen hat; aber es war dann wohl auch dringend notwendig, daß Wolfgang mit seiner witzigen Schlußbemerkung ihn darauf aufmerksam machte, wie außerordentlich schwer es ist, dieser Gefahr ganz zu entgehen.' Niels schloß das Gespräch ab mit einer jener Geschichten, die er bei solchen Gelegenheiten gern erzählte:

,In der Nähe unseres Ferienhauses in Tisvilde wohnt ein Mann, der hat über der Eingangstür seines Hauses ein Hufeisen angebracht, das nach einem alten Volksglauben Glück bringen soll. Als ein Bekannter ihn fragte; aber bist du denn so abergläubisch? Glaubst du wirklich, daß das Hufeisen dir Glück bringt?, antwortete er: Natürlich nicht; aber man sagt doch, daß es auch dann hilft, wenn man nicht daran glaubt.' "
:)


Quelle:
Hans Peter Dürr "Physik & Transzendenz" Die großen Physiker unserer Zeit über ihre Begegnung mit dem Wunderbaren

Verlag Driediger 2. Auflage 2012 S. 243-257
 
Re: Theravada meine Meinung
Auch auf die Gefahr hin, mit dem Argumentationsniveau einer Vierjährigen den Ansprüchen nicht ganz gerecht zu werden, möchte ich, um diesem Faden einen Abschluß zu geben, doch noch einmal auf das ursprüngliche Thema "Meinung" zurückkommen. Bei der Lektüre eines Buches, welches schon viele Jahre in meinem Bücherschrank steht und in dem ich hin und wieder mit Gewinn und Freude lese, kam mir unlängst ein Beitrag von Werner Heisenberg in Erinnerung, der, wie mir scheint, vielleicht zu dem Thema auszugsweise und abschließend passen könnte.
Ach, ja, und es geht um die "Meinung", richtig?

Aber bitte – kein Wissenschaftler würde ernsthaft über Wiedergeburt sprechen oder über die Wirkungen des Karma in dem Leben, das ich jetzt führe. Das sind spirituelle Konzepte, die bereits in den Veden oder Upanishaden existieren, weil der Mensch damals keine anderen Erklärungen hatte.

Der Buddhismus lehrt das Leiden und sein Ende. Die drei Daseinsmerkmale lassen sich rein wissenschaftlich nachweisen, und auch die moderne Neurowissenschaft stimmt dem zu – so wie im Buch Kein Ich, kein Problem von Chris Niebauer beschrieben.

Dukkha kann ich jederzeit unmittelbar erfahren. Und wenn ich die gesamte Kette des bedingten Entstehens, beginnend mit dem Kontakt, analysiere, habe ich die Möglichkeit, das Leiden zumindest zu mindern. Die Ursachen und Bedingungen kann ich durch meine bewusste Absicht verändern. Dafür brauche ich keinen blinden Glauben – weder an eine höhere Macht noch an ein Leben nach dem Tod. All diese Vorstellungen sind Schutzmechanismen der Psyche, um nicht direkt dem Tod ins Gesicht zu blicken.

Stattdessen flüchte ich mich in religiöse Vorstellungen, weil ich Angst vor der Endlichkeit des Lebens habe – und die Uhr tickt immer, auch jetzt. Jede Religion enthält diese Tendenz: Entweder bete ich zu einem liebenden Gott, oder ich mache mir Sorgen darüber, wo ich (was dem Anatta -Prinzip widerspricht) wiedergeboren werde. Ich verhalte mich nicht schlecht, nicht aus Einsicht , sondern aus Angst. Das ist offensichtlich und bedarf keiner Zitate oder Autoritäten. Doch viele zögern, ernsthaft über diese Themen zu sprechen, weil es die innere Unsicherheit verstärkt.

Nur ich selbst habe die innere Kraft, alles auszuhalten, was das Leben ausmacht – Altern, Krankheit und schließlich den sicheren Tod.

Eine echte, also authentische Ethik entsteht nur, wenn ich selbst erkenne, dass ich mir oder anderen mit meinem Verhalten, meinen Gedanken oder Gefühlen schade. Daraus entwickle ich die intrinsische Motivation, das Heilsame in meinem Inneren zu kultivieren. Gerade die Vergänglichkeit und die sichere Endlichkeit meines Lebens erzeugen das innere Gefühl der Dringlichkeit, den Dhamma zu praktizieren.

So ist meine eigene Meinung.
 
Re: Theravada meine Meinung
So ist meine eigene Meinung.
Amen 🙏 ;)

Niemand will Dir Deine Meinung streitig machen, lieber Igor aber ist es wirklich so schwer, anderen Leuten die ihre zu lassen?
Im Übrigen halte ich es mit dem alten Geheimrat aus Weimar, der einst schrieb:
"Wer sich nicht selbst zum Besten haben kann, der ist gewiß nicht von den Besten."
In diesem Sinne... - laß es bitte gut sein, damit dieser Faden zum Abschluß kommen kann.
 
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