Helmut

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Buddh. Richtung:
Madhyamaka
Hallo miteinander,

kennt sich jemand von euch mit Nagarjunas Ratnavali aus? Ich würde mich gerne über die Bedeutung des fünften Verses des 1.Kapitels austauschen.



Das 1.Kapitel der Ratnavali hat zwei Themen: Hoher Zustand und letztendliche Güte. Hoher Zustand ist eine Existenz im Menschenbereich mit einem kostbaren Menschenkörper. Letztendliche Güte ist die Buddhaschaft. Hoher Zustand und letztendliche Güte stehen in einem bestimmten Zusammenhang zueinander:

"Wer zu Anfang den hohen Zustand praktiziert, wird am Ende letztendliche Güte erfahren, denn nur wer den hohen Zustand erreicht hat, kann Schritt für Schritt auch letztendliche Güte erlangen." (Vers 3)

Bis Vers 24 spricht Nagarjuna über den hohen Zustand und ab Vers 25 über letztendliche Güte.

In Vers 25 wird gesagt, dass die Lehre von der letztendlichen Güte sehr tiefgründig und subtil ist. Deshalb ist sie für die Kindlichen, die noch kein höheres Verständnis entwickelt haben, Furcht erregend.
Mit der Lehre von der letztendlichen Güte ist die Lehre von der Leerheit gemeint. Sie ist das Mittel, um die Buddhaschaft zu erlangen, die in Ratnavali mit letztendlicher Güte bezeichnet wird.

Während in Vers 25 die Tiefgründigkeit der Lehre von der letztendlichen Güte betont wird, wird in Vers 26 hervorgehoben was diese Lehre negiert. Mit "Ich bin nicht. Ich werde nicht sein. Ich habe nicht. Ich werde nicht haben." wird die inhärente Existent von Ich und Mein negiert.
Diese Negation erschreckt die gewöhnlichen Wesen, weil sie in einem direkten Gegensatz zu ihrer Auffassung von der Existenz des Ichs, der Person steht.
Mit der Negation eines inhärenten Ich und Mein wird ja die Ansicht, die die vergänglichen Anhäufungen (Skandhas ) für ein wahres Ich und Mein hält, negiert. Sie negiert somit die Wurzel des Daseinskreislaufs.
Deshalb löscht diese Negation bei den Weisen alle Furcht aus wie es in dem Vers heißt.

In Vers 27 sagt Nagarjuna, dass Buddha Sakyamuni nur zu uns gesprochen hat, um uns zu nutzen. Es geht jetzt also darum, welchen Nutzen die Lehre von der letztendlichen Güte für uns hat.
Es ist für uns also von Nutzen, wenn Buddha Sakyamuni erklärt, "dass alle Wesen aus der Vorstellung von einem 'Ich' entstanden und in der Vorstellung von einem 'Mein' befangen sind."

Da stellt sich die Frage, ob wir diese Aussage Buddha Sakyamunis für uns selbst als nützlich, hilfreich empfinden.

Der Beitrag wurde teilweise aus dem Übergangsforum kopiert, daher stimmen die Zeiten nicht.
 
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Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Ich habe das Buch von Jeffrey Hopkins. Mit welchem würdest du denn gerne arbeiten? Oder ist das egal?Welchen Vers meinst du genau?

Wer Glauben hat, wird sich auf die Praxis verlassen
Wer Weisheit hat, kennt die Natur der Wirklichkeit.
Von diesen beiden Tugenden ist Weisheit die höhere,
Glauben jedoch ihre unabdingbare Vorraussetzung.

Das wäre jetzt hier der 5. Vers.
 
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Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Hm, da muss ich drüber nachdenken. Warum dreistufig?

Ich denke zB, der Körper wird oft vernachlässigt. Bei mir ist das oft der Fall. Ich denke da zu wenig dran. Der kostbare Menschenkörper ist in diesem Leben mein Thema. Ich gehe damit nicht achtsam um.
Die Rede kann durchaus gemeint sein, wenn man aber immer wieder seine Weisheiten raushaut, ohne nachzudenken, kann man auch verletzen. Wieder etwas, was ich an mir erkenne.
Der Geist ist denke ich Achtsamkeit , bzw Einsgerichtetheit. Wenn man nicht schaden will, weder sich noch anderen, muss man sehr präsent sein.
So in etwa, sehr platt ausgedrückt, würde ich das verstehen.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Zur Bedeutung des fünften Verses des 1.Kapitels

damit wir auch wissen, welcher Vers gemeint ist: zur Verfügung habe ich diesen Text übersetzt von Geshema Kelsang Wangmo und Korrektur gelesen von Ehrw. Losang Dekyi und Annette Kleinbrod:
 

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| Mein Blickwinkel: Ich schreibe nicht zwangsläufig aus dem Blickwinkel der Gelug-Prasaṅgika-Madhyamaka, sondern dem Standpunkt meiner Gesprächspartner entsprechend, (auf die ich bemüht bin, einzugehen), sodass es uns möglich ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Im 7.Vers beschreibt Nagarjuna wie man Weisheit erlangt.

Als erstes müssen wir unsere Taten von Körper, Rede und Geist grundlich untersuchen. Das setzt natürlich voraus, dass man zwischen Heilsamen, Unheilsamem und Neutralem unterscheiden kann. Dann untersucht man diesbezüglich die eigenen Taten. ("Wer alle Taten von Körper, Rede und Geist gründlich untersucht ...")
Auf der Grundlage müssen wir als zweites erkennen, was einem selbst und den anderen nutzt. ("... erkennt, was ihm selbst und anderen nützt ...")
Dann setzt man als drittens alle diese Erkenntnisse ohne Ausnahme in der Praxis um. ("..sowie seine Erkenntnis ohne Ausnahme in die Tat umsetzt ...")
Das Resultat ist dann die Weisheit, die die Leerheit erkennt. ("... der allein ist weise.")
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Aus dem Link von mkha' habe ich das hier unter Vers 7 gefunden:
"Weise ist, wer alle Handlungen von Körper, Sprache und Geist gründlich prüft und immerzu in dem Wissen, wie man sich selbst und anderen zugutekommt, agiert"

Deine dritte Schlussfolgerung kann ich daraus nicht ableiten.
 
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Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Bei Geshema Kelsang Wangmos Übersetzung ist die Reihenfolge der drei Aspekte etwas anders als bei der Übersetzung von E.Liebl, die ja Hopkins Übertragung der Ratnavali ins Englische ins Deutsche übersetzt hat.

Bei Geshema steht das Resultat am Anfang: "Weise ist,..."
Dann stellt sich die Frage, wie wird jemand, der noch nicht weise ist, zu einem Weisen.
Als erstes muss man "... alle Handlungen von Körper, Sprache und Geist gründlich ..." prüfen. Dadurch erkennt man zweitens "... wie man sich selbst und anderen zugutekommt ... ". Dann muss man "... immerzu in dem Wissen ... agieren." Dadurch wird man weise wie es am Anfang von Geshemas Übersetzung des Verses steht.
Die drei Aspekte sind in dieser Übersetzung verschachtelter als bei der Übersetzung von E.Liebl.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
@Nyinje ☼ ,

was du in Beitrag 3 geschrieben hast, würde ich der ersten Stufe, dem gründlichen Untersuchen aller Handlungen von Körper, Rede und Geist, zuordnen. Auf dieser Stufe geht es ja nicht nur darum zu wissen, was heilsam, unheilsam und neutral ist, sondern auch das eigene Handeln mittels dieser drei Kategorien zu untersuchen und zu überprüfen. Ziel ist dabei ja, das Unheilsame und Neutrale zu überwinden und das Heilsame zu vermehren.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Ich nehme nicht an, dass Geshema die Weisheit meint, die Leerheit erkennt (Dein Beitrag Nr. 11).
Da ist noch eine niedrigschwelligere Art der Weisheit gemeint, nämlich eine Weisheit auf relativer Ebene.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Nagarjuna bereits im 7. Vers von der Weisheit, die Leerheit erkennt, redet. Das ist normalerweise ein Prozess, der in diese Richtung geht.
Eventuell gibt es bei der Version von Hopkins doch eine andere Übersetzung wie bei Geshema.
 
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Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Im 1.Kapitel der Ratnavali mit dem Titel "Darstellung des Hohen Zustandes und des wahren Wohls" spricht Nagarjuna grundlegende Themen an.. Das beginnt bereits im 3.Vers. So spricht er davon, dass auf der Grundlage des hohen Zustandes das wahre Wohl erreicht werden kann; oder darüber wer ein geeignetes Gefäß für das Hören der Lehre von der Leerheit ist

Im 7.Vers beschreibt Nagarjuna den Prozess mittels dem man Weisheit erlangt. Ich finde, dass dieser Prozess in Geshemas Übersetzung deutlich wird. Diese Weisheit ist das Resultat des Dharma . Es ist die Weisheit, die die Leerheit erkennt. Es geht ja um die Weisheit, die die Ursache für das wahre Wohl, also die Befreiung ist.
Diese Weisheit ist zunächstvon begrifflicher Natur sein, denn erst auf dem Pfad des Sehens entsteht die unmittelbare, unbegriffliche Weisheit der Leerheit. Die unmittelbare, nicht-begriffliche Erkenntnis der Leerheit stellt natürlich eine höhere Ebene der Weisheit dar als die begriffliche Erkenntnis der Leerheit. Letztere ist aber eine notwendige Voraussetzung, um die unmittelbare Erkenntnis der Leerheit zu erlangen.
Ob Hopkins und Geshema eine identische Vorlage für ihre Übersetzungen hatten, werden wir wohl kaum feststellen können. Ich finde diese Frage aber auch nicht so wichtig, weil ich bisher keine grunddlegenden Unterschiede zwischen den beiden Übersetzungen entdeckt habe.
 
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Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Nachdem Nagarjuna im 7.Vers aufgezeigt hat, wie man die Weisheit entwickelt durch die man dann die Buddhaschaft erlangt, beschreibt er in den versen 8, 9 und 10 die sechszehn heilsamen oder weißen Handlungen durch die man einen hohen Zustand im Daseinskreislauf erlangt.

In den Versen 11 - 13 beschreibt er Wege, die von der Dharmapraxis wegführen und deshalb für die spirituelle Entwicklung schädlich sind.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Eine Frage zum 13.Vers von Nagarjunas Ratnavali:

"Auf sehr lange Zeit verbleibt der von der Schlange
der Verblendungen umschlungende Körper
in der unerträglichen Wildnis des Daseinskreislaufs,
dem Dickicht der unendlichen Wesen."
(Übersetzung Geshe Kelsang Wangmo)

Mir geht es nicht so sehr um die beiden Analogien, die in dem Vers mitenthalten sind, sondern darum, ob es korrekt ist, diesen Vers als allgemeine Beschreibung des Zustandes der Lebewesen im Daseinskreislauf (Samsara ) zu verstehen. Mir ist aber auch der Zusammenhang dieses Verses zu den beiden vorgehenden Versen und den nachfolgenden Versen noch nicht so richtig klar.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Mir ist aber auch der Zusammenhang dieses Verses zu den beiden vorgehenden Versen und den nachfolgenden Versen noch nicht so richtig klar.
Bauen die Verse denn aufeinander auf? Es ist jetzt schon etwas länger her, dass ich die Unterweisungen gehört habe, aber den Eindruck hatte ich damals schon, dass es nicht immer einen Zusammenhang gibt.

Leider schaffe ich es gerade nicht mir die Aufzeichnungen auf dem Stick anzuhören.
Eventuell erst Mitte nächster Woche.
 
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Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
13.Vers von Nagarjunas Ratnavali:

"Auf sehr lange Zeit verbleibt der von der Schlange
der Verblendungen umschlungende Körper
in der unerträglichen Wildnis des Daseinskreislaufs,
dem Dickicht der unendlichen Wesen."
(Übersetzung Geshe Kelsang Wangmo)

Statt der Frage nach dem Zusammenhang dieses Verses mit den vorherigen: Vielleicht ist es ja hilfreich, zuerst den Inhalt des Verses zu klären.

Ich sehe hier drei Analogien:

1. der von der Schlange der Verblendungen umschlungene Körper
2. die unerträgliche Wildnis des Daseinskreislaufes
3. das Dickicht der unendlichen Wesen.

Ich denke, die erste Analogie steht für die stete unfreiwillige Wiedergeburt im Daseinskreislauf, die zweite für den Daseinskreislauf selbst und die dritte für die zahllosen Wesen im Daseinskreislauf. Diese drei Aspekte, die durch die Analogien ausgedrückt werden, stehen in gegenseitiger Abhängigkeit.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Ich denke, die erste Analogie steht für die stete unfreiwillige Wiedergeburt im Daseinskreislauf, die zweite für den Daseinskreislauf selbst und die dritte für die zahllosen Wesen im Daseinskreislauf. Diese drei Aspekte, die durch die Analogien ausgedrückt werden, stehen in gegenseitiger Abhängigkeit.
Ist das jetzt eine Vermutung von Dir oder hast Du dir die Antwort auf Deine Frage mittlerweile selbst rausgesucht? :unsure:
 
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Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Mit dem was ich geschrieben habe, ist ja die Frage nach dem Zusammenhang des 13.Verses zu den beiden vorherigen Versen noch nicht beantwortet.

Mein Gedanke war, dass es besser sein könnte, sich zunächst die inhaltliche Bedeutung des 13.Verses zu erarbeiten, um die ursprüngliche Frage zu beantworten. Bei den drei Analogien, die ich genannt habe, stütze ich mich einerseits auf die Übersetzung des Verses von Geshe Kelsang Wangmo und die Ratnavali-Erklärungen von Geshe Palden Öser vom Tibetzentrum Hannover.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Nachdem ich mir die Belehrungen von Geshema Kelsang Wangmo zu Nagarjunas Mulamadhyamakakarikas inzwischen zu Ende angehört habe, beschäftige ich mich wieder mehr mit Nagarjunas Ratnavali. Dazu ein Zitat aus den Erklärungen von Geshe Palden Öser vom Tibetzentrum Hannover zu Vers 21.

Der Vers selber lautet in der Übersetzung von Geshema Kelsang Wangmo:
"Von den Untugenden kommt jegliches Leiden
sowie alle niederen Wiedergeburten.
Von den Tugenden kommen alle guten Wiedergeburten
und das Glück in jedem Leben."

Dazu sagt Geshe Palden Öser:
"Wer ernsthaft Dharma praktizieren will, wird nicht zu guten Resultaten gelangen, wenn wir es versäumen, über die Gesetzmäßigkeit von Karma und Wirkung nachzudenken. Wenn wir uns hingegen bemühen, diese Gesetzmäßigkeit vor Augen zu halten und uns entsprechend ganz bewusst für positive Handlungen entscheiden, setzen wir die beste Basis dafür, dass unsere Praxis erfolgreich sein wird und wir auch künftig eine gute Existenzform erlangen, auf der wir uns dann weiter entwickeln können."
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
In Vers 27 der Ratnavali von Nagarjuna heißt es:

"Er, der nur spricht, um den Lebewesen zu nutzen,
lehrte, dass all diese Wesen ausnahmslos
von dem Festhalten am 'Ich' und
dem Festhalten an 'Meinem' entstanden sind."
(Übersetzung von Geshe Kelsang Wangmo im
Ratnavali-Kurs des TZ Hamburg)

Im Vers wird Buddha Sakyamuni dadurch charakterisiert, dass er nur zu uns spricht, um uns zu nutzen. Um uns zu nutzen lehrte er, dass wir immer wieder eine samsarische Existenz annehmen so lange wir an der Vorstellung eines 'Ich' festhalten.

In "Brief an einen Freund" (Suhrllekha) formuliert Nagarjuna dies wie folgt:

"Die Aggregate entstehen ... aus Unwissenheit, Karma und Verlangen."
(Wo die Pünktchen stehen im Zitat sagt Nagarjuna woraus unsere samsarischen Aggregate nicht entstehen.)

Mit dem Festhalten an der Vorstellung an einem 'Ich' ist die Ansicht gemeint, die unser Ich als ein aus sich heraus existierendes Ich, als ein allein von den eigenen Merkmalen her existierendes Ich, als ein inhärent existierendes Ich auffasst.

Im Kontext der 51 Geistesfaktoren nach Asanga ist diese Ansicht eine Leidenschaft. Sie wird dort als die Ansicht der vergänglichen Anhäufung bezeichnet. Die Definition dieser Ansicht ist:

"Die Ansicht der vergänglichen Anhäufung ist eine leidenschaftsverbundene Intelligenz, die bei der Beobachtung der durch Leidenschaften und befleckte Taten angenommenen Aggregate diese in verkehrter Weise als Ich und Mein auffasst." (SSdB, LG VI)
(Aggregate ist die Übersetzung des Sanskritwortes Skandhas)

Im Kontext der zwölf Glieder des abhängigen Entstehens wäre diese Ansicht die Unwissenheit, die das erste Glied dieser zyklischen Kette ist.

Weil unsere samsarische Existenz durch diese Ansicht verursacht wird, wird diese Existenz also durch den Geist bestimmt, wie es auch im ersten Vers des Dhamm␛apada heißt:

"Vom Geist geführt die Dinge sind,
Vom Geist beherrscht, vom Geist gezeugt.
Wenn man verderbten Geistes spricht,
Verderbten Geistes Werke wirkt,
Dann folgt einem Leiden nach
Gleichwie das Rad des Zugtiers Fuss."
(Quelle: Nyanatilka Mahathera , Dhammapada , Theravadanetz in der DBU , München 2025, S.17)
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Das 1,Kapitel der Ratnavali hat zwei Themen: Hoher Zustand und letztendliche Güte. Hoher Zustand ist eine Existenz im Menschenbereich mit einem kostbaren Menschenkörper. Letztendliche Güte ist die Buddhaschaft. Hoher Zustand und letztendliche Güte stehen in einem bestimmten Zusammenhang zueinander:

"Wer zu Anfang den hohen Zustand praktiziert, wird am Ende letztendliche Güte erfahren, denn nur wer den hohen Zustand erreicht hat, kann Schritt für Schritt auch letztendliche Güte erlangen." (Vers 3)

Bis Vers 24 spricht Nagarjuna über den hohen Zustand und ab Vers 25 über letztendliche Güte.

In Vers 25 wird gesagt, dass die Lehre von der letztendlichen Güte sehr tiefgründig und subtil ist. Deshalb ist sie für die Kindlichen, die noch kein höheres Verständnis entwickelt haben, Furcht erregend.
Mit der Lehre von der letztendlichen Güte ist die Lehre von der Leerheit gemeint. Sie ist das Mittel, um die Buddhaschaft zu erlangen, die in Ratnavali mit letztendlicher Güte bezeichnet wird.

Während in Vers 25 die Tiefgründigkeit der Lehre von der letztendlichen Güte betont wird, wird in Vers 26 hervorgehoben was diese Lehre negiert. Mit "Ich bin nicht. Ich werde nicht sein. Ich habe nicht. Ich werde nicht haben." wird die inhärente Existent von Ich und Mein negiert.
Diese Negation erschreckt die gewöhnlichen Wesen, weil sie in einem direkten Gegensatz zu ihrer Auffassung von der Existenz des Ichs, der Person steht.
Mit der Negation eines inhärenten Ich und Mein wird ja die Ansicht, die die vergänglichen Anhäufungen (Skandhas) für ein wahres Ich und Mein hält, negiert. Sie negiert somit die Wurzel des Daseinskreislaufs.
Deshalb löscht diese Negation bei den Weisen alle Furcht aus wie es in dem Vers heißt.

In Vers 27 sagt Nagarjuna, dass Buddha Sakyamuni nur zu uns gesprochen hat, um uns zu nutzen. Es geht jetzt also darum, welchen Nutzen die Lehre von der letztendlichen Güte für uns hat.
Es ist für uns also von Nutzen, wenn Buddha Sakyamuni erklärt, "dass alle Wesen aus der Vorstellung von einem 'Ich' entstanden und in der Vorstellung von einem 'Mein' befangen sind."

In Vers 28 wird dann gesagt, dass die Auffassungen von einem inhärenten Ich und Mein falsch sind, weil sie keine Grundlage in der Realität haben.

Da stellt sich die Frage, ob wir diese Aussage Buddha Sakyamunis für uns selbst als nützlich, hilfreich empfinden.
 
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Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
So weit ich weiß, gibt es auf Deutsch nur die Übersetzung von Hopkins Übertragung ins Englische durch Elisabeth Liebl.

Der fünfte Vers ist auch wichtig, aber eigentlich meinte ich den 7.Vers. Da habe ich mich vertan. Es geht mir um diesen 7.Vers, übersetzt von E.Liebl:
"Wer alle Taten von Körper, Rede und Geist gründlich untersucht hat und erkennt, was ihm selbst und anderen nützt, sowie seine Erkenntnis ohne Ausnahme in die Tat umsetzt, der allein ist weise."
Ich verstehe den Vers so, dass Nagarjuna hier einen dreistufen Prozess durch den man Weisheit erlangt in knappen Worten beschreibt.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
E.Liebl, die J.Hopkins Übertragung der Ratnavali ins Amerikanische ins Deutsche übersetzt hat, benutzt die Bezeichnung hoher Zustand als Synonym für eine menschliche Existenz mit einem kostbaren Menschenkörper. In diesem Sinn benutzt auch Geshe Kelsang Wangmo diesen Begriff in ihrer Übersetzung. E.Liebl übersetzt die Buddhaschaft mit letztendlicher Güte, während Geshe Kelsang Wangmo die Übersetzung Wahres Wohl für die Buddhaschaft benutzt. Es sind gewöhnungsbedürftige Begrifflichkeiten, die so im SSdB nicht vorkommen.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Es sind gewöhnungsbedürftige Begrifflichkeiten, die so im SSdB nicht vorkommen.
Ja - und eben dies fällt mir nicht immer leicht. Wahrscheinlich erteilte Geshela (Geshe Thubten Ngawang) deshalb den Rat, sich nach dem Festlegen auf eine Tradition und dem Vertiefen ihrer Lehrmeinungen, (sodass man darin sattelfest ist), immer wieder über den eigenen Tellerrand zu schauen, und an Darlegungen anderer Schulen/ Traditionen teilzunehmen.

Wichtig dabei, so erklärte Geshela: achtsam beim Hören der Lehrmeinungen, und respektvoll gegenüber ihren Lehrmeinungsverkündern ... Man muss nicht alles mitnehmen, aber man kann Vieles dazulernen, und so den eigenen Horizont erweitern.
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe nicht zwangsläufig aus dem Blickwinkel der Gelug-Prasaṅgika-Madhyamaka, sondern dem Standpunkt meiner Gesprächspartner entsprechend, (auf die ich bemüht bin, einzugehen), sodass es uns möglich ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Hier zeigt sich noch einmal, dass es wichtig ist, die Bedeutung der Worte / Begriffe zu erfassen. Geshe Kelsang Wangmo ist Nonne in der Gelug -Tradition. In ihren Kursen am TZ sagt sie immer wieder, dass sie bemüht ist, eine deutsche Übersetzung zu finden, das möglichst genau die Bedeutung des tibetischen Wortes wiedergibt. Deshalb hat sie Buddhaschaft mit wahres Wohl übersetzt. Wenn wir am TZ von Buddhaschaft gesprochen haben im Studium haben, haben wir diesen Begriff nicht benutzt.

Aber so abwegig erscheint mir ihre Übersetzung von Buddhaschaft mit wahres Wohl inzwischen nicht mehr. Im Zusammenhang mit dem Zufluchtsobjekt Buddha werden ja auch drei Vortrefflichkeiten zum höchsten eigenen Wohl des Buddha zusammengefasst und drei Vortrefflichkeiten zum höchsten Wohl für andere. Von daher macht der Begriff wahres Wohl für mich Sinn. Wenn man wahres Wohl als Befreiung aus dem Daseinskreislauf auffasst, dann kann man den Begriff sowohl auf die Arhatschaft als auch auf die Buddhaschaft beziehen.

Es gibt in Vers 25 noch einen weiteren gewöhnungsbedürftigen Begriff. In der Übersetzung von E.Liebl heißt es, dass die Lehre von der letztendlichen Güte tiefgründig ist. Geshe Kelsang Wangmo übersetzt dies - konsequenterweise - mit "das Dharma des wahren Wohls." Mit beiden Begriffen ist die Lehre von der Leerheit gemeint wie Geshe Palden Öser vom Tibetzentrum Hannover in seinen Ratnavali-Unterweisen erklärt.

Die Begriffe letztendliche Güte und Lehre von der letztendlichen Güte bedeuten also nicht das gleiche.
 
Re: Madhyamaka Nagarjuna Ratnavali
Von daher macht der Begriff wahres Wohl für mich Sinn. Wenn man wahres Wohl als Befreiung aus dem Daseinskreislauf auffasst, dann kann man den Begriff sowohl auf die Arhatschaft als auch auf die Buddhaschaft beziehen.
Ich stimme Dir durchaus zu, und Geshe Kelsang Wangmos Bemühen, mittels ihrer Übersetzungen möglichst genau die Bedeutung des tibetischen Wortes wiederzugeben, (was wahrlich nicht einfach ist, da der Bedeutungsinhalt tibetischer Vokabeln sehr umfangreich sein kann), ist ihr hoch anzurechnen.

Was ich jedoch als hilfreich erachten würde, wäre ein mit (1) etc. bezeichneter Hinweis auf die bislang gängige Bedeutung der genaueren Übersetzung.

LG mkha'
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe nicht zwangsläufig aus dem Blickwinkel der Gelug-Prasaṅgika-Madhyamaka, sondern dem Standpunkt meiner Gesprächspartner entsprechend, (auf die ich bemüht bin, einzugehen), sodass es uns möglich ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
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