Das ist Anatta-Erkenntnis:
Jegliche Art von Form, Gefühl, Wahrnehmung, Gestaltung und Bewusstsein, ob vergangen, zukünftig oder gegenwärtig, ob innerlich oder äußerlich, grob oder subtil, niedrig oder hoch, entfernt oder nah, sollte mit angemessener Weisheit der Wirklichkeit entsprechend erkannt werden: 'Dies ist nicht mein, dies bin ich nicht, dies ist nicht mein Selbst.'
M.22.
Sie bewirkt etwas Wesentliches:
Ernüchterung der Form gegenüber, Ernüchterung dem Gefühl gegenüber, Ernüchterung der Wahrnehmung gegenüber, Ernüchterung den Gestaltungen gegenüber, Ernüchterung dem Bewusstsein gegenüber.
Das Paliwort nibbindati hat Kay Zumwinkel mit "ernüchtert" übersetzt, der Indologe Klaus Mylius übersetzt es in seinem Wörterbuch mit "unzufrieden, überdrüssig, verdrossen, angewidert". Hellmuth Hecker übersetzt es mit "nichts daran finden" (
S.35.1-6). Der Indologe Mylius übersetzt wörtlich, die Buddhisten Zumwinkel und Hecker übersetzen nach der praktischen Bedeutung. Wenn nibbindati in diesem Zusammenhang als verdrossen und angewidert verstanden wird, kann das zu dem Missverständnis beitragen, der
Buddhismus sei lebensfeindlich. Das wäre aber mit Hass (dosa) verbunden, der ja neben Gier und Unwissenheit eine der drei unheilsamen, leidverursachenden Wurzeln ist. Es geht nicht darum, das Dasein zu hassen oder auch nur abzulehnen, sondern eben darum, es so zu erkennen wie es ist. Ablehnung führt nicht zur Loslösung, zum "nichts daran finden", zum Gleichmut (upekkhā). Verdrossenheit entsteht aufgrund von Anhaftung, dem Begehren es möge anders sein. Das Dasein ist aber nun mal untrennbar mit Dukkha verbunden und wenn man das nicht akzeptiert, wünscht man das Unmögliche.
Nur Erkenntnis kann Dukkha für immer beenden. Die Anatta-Erkenntnis verursacht keinen schmerzhaften Verlust, vielmehr erleichtert sie zunehmend das Leben. Wen man etwas weder begehrt noch hasst, kann man nicht darunter leiden. Weder will ich da sein noch will ich nicht da sein, das ist innere Freiheit. "Ich bin nicht Körper und Geist", das bedeutet nicht, dass ich es nicht sein will, es ist einfach nur eine Tatsache. Es ist ein beglückender Ausblick, diese Erkenntnis vollkommen zu entwickeln. Da geht's lang! Jetzt ist es mir wieder eingefallen, fast wäre ich heute in Verdrossenheit versunken. Es ist wie es ist, aber der Geist vergisst das sehr leicht, wenn man sich nicht immer wieder bemüht, sich daran zu erinnern.
Und nun stehen diese Worte da und wenn ich sie morgen lese, verstehe ich sie vielleicht nicht mehr. Aber die Lehre des Buddha ist eine Wahrheit die man in sich selber findet, verliert und wieder findet, Stückchen für Stückchen, bis man in den unumkehrbaren Strom der Erkenntnis eingetreten ist. Was dabei verlorengeht sind nur Hindernisse und Fesseln, der große Gewinn ist die Freiheit. Wenn man doch nur ständig von dieser unerschütterlichen Zuversicht getragen würde. Man muss sich halt bemühen, üben und nicht lockerlassen.