Natürlich kann man die Phänomene negativ definieren indem man sagt: Sie sind nicht dieses, sie sind nicht jenes usw. Dies finden wir ja auch in den Lehrreden des Buddha: Zum Beispiel die Selbstlosigkeit der Person oder die Leerheit (skr. sunyata). Die Selbstlosigkeit der Person verneint nur etwas, aber sie bestätigt nichts. Die Selbstlosigkeit der Person negiert die Auffassung, dass es eine eigenständig - substanzielle Person gibt. Mehr nicht. Damit ist aber noch nicht viel darüber ausgesagt was die Person ist und wie sie existiert.
Die Methode, die Person negativ zu definieren, finde ich allerdings nicht zielführend, um zu klären was die Person ist. Da finde ich die Methode, die Person positiv zu definieren wie es in den Traditionen des indischen Buddhismus gemacht wurde, viel hilfreicher. In den fünf Haupttraditionen des indischen Buddhismus, deren Schriften wir ja noch zur Verfügung haben, wird die Person unterschiedlich definiert. Ich will sie nicht alle darstellen, sondern nehme beispielhaft die Definition der Person wie sie von den Svatrantika-Madhyamikas gegeben wird.
Der indische Meister und Gelehrte Bhavaviveka, der als Begründer der Svatrantika-
Madhyamaka -Lehrmeinung gilt, sagt in seiner Schrift
Flamme der Beweisführung:
Wir benennen faktisch das geistige Hauptbewusstsein mit dem Wort Selbst; denn weil dieses
Hauptbewusstsein auch das ist, was eine neue Existenz annimmt, ist es das Selbst.
Das Wort Selbst ist synonym mit dem Wort Person. Es ist durchaus angemessen, im Zitat das Wort Selbst durch das Wort Person zu ersetzen, denn Selbst und Person sind die Übersetzung des Sanskritwortes
atman .
Mit dieser Definition der Person wandelt sich die Frage, wer wird wiedergeboren, in die Frage um, was wird wiedergeboren. Hinter der Frage, wer wird wiedergeboren steht ja, meist unausgesprochen, die Vorstellung, dass etwas wesenhaft Existierendes von Existenz zu Existenz weitergeht. Da es so etwas nicht gibt, kann es nicht von Existenz zu Existenz weitergehen.
Die Frage, was wird denn wiedergeboren verschiebt die Perspektive auf das was tatsächlich passiert. Was von Existenz zu Existenz weitergeht ist das geistige Bewusstsein. Es ist ohne Anfang und ohne Ende und wandelt sich vom Moment zu Moment durch verschiedene Bedingungen und Einflüsse wie unsere Unwissenheit, unsere Gier, unsere Leidenschaften, aber auch durch Lernen und Praktizieren.
Diesen komplexen Zusammenhang beschreibt Buddha Sakyamuni ja recht kurz und knapp in SN 12.1 ff mittels der zwölf Glieder des abhängigen Entstehen.