Da wir hier nach meinem Verständnis sehr nah an einem wichtigen Punkt sind, erlaube ich mir (wenn das okay ist), noch einmal nachzuhaken:
Das sehe ich schon auch so, dass jeder in seinem Geist eine eigene Welt kreiert.
Ja, so kann man das durchaus beschreiben. Wenn aber die Welt, die ich erlebe, im Geist/in meinem Geist kreiert wird, kann ich nichts erleben, dass nicht zugleich auch Teil dieses Geistes ist. So gesehen, ist alles dieser eine Geist.
Genau betrachtet, leben wir immer nur im Augenblick, genau jetzt. Alles, was ich in diesem Augenblick wahrnehme, ist Teil dieses Erlebens und kann damit auch nicht getrennt von mir sein. Die Trennung zwischen dem, was wahrnimmt und dem, was wahrgenommen wird, ist ein rein gedankliches Konstrukt. Es mag mitunter nützlich und sinnvoll sein, es so zu trennen; aber ein solches, trennendes Verständnis kann dem absoluten Erleben genau jetzt niemals gerecht werden. Die trennende Unterscheidung aufzugeben und zu diesem ungetrennten unmittelbaren Erleben genau jetzt zurückzukehren, ist, was Seng meint, wenn er sagt:
Betrachtest du
die Zehntausend Erscheinungen gleich,
dann kehrst du zurück
zum Natürlichen.
Dieses "Natürliche" oder auch das "Eine" bzw. der "Eine Geist" etc. ist dabei eben gerade
das, was wir sind und die Welt ist, wenn wir
nicht unterscheiden. Es ist also gewissermaßen alles, was unmittelbar wirklich ist (ob Wahrnehmung oder Vorstellung) weswegen eine andere Beschreibung des Einen Geistes auch "Alles, was ist" ist. Dieses Eine hat selbstverständlich keine trennenden Eigenschaften. Wenn die auftauchen, sind wir bereits wieder in der Welt unserer begrifflichen Vorstellungen und Illusionen angekommen. Deswegen ist der Eine Geist auch nicht "friedlich" oder etwas, das "unterhalb" von etwas anderem "ruht". Solche Vorstellungen gehören nach meinem Verständnis in die Kathegorie von "
Und der Mensch mit seinem komplizierten Hirn denkt sich halt was dazu". Der Eine Geist, das bist du selbst in deiner Soheit, die nicht verschieden ist von allem, was du erlebst.
Wenn man auf diese Weise das dualitäre Verstehen loslassen kann (und sei es auch nur für einen Augenblick) gibt es keine Zweiheit mehr. Es bleibt scheinbar nur das Eine; aber auch das Eine verschwindet, denn der Begriff "das Eine" macht als Vorstellung nur Sinn, wenn er abgegrenzt ist von ewas, das nicht "das Eine" ist. Deswegen heißt es bei Seng Shan weiter:
Wenn beides schon nicht existiert,
wie könnte es dann das Eine geben?