… das Friedvolle wird erst recht vernichtet, wenn es sich wehrt, meinst du nicht?
Kommt darauf an, wie man sich wehrt. Mit welcher inneren Haltung. Und warum man sich wehrt. Nein, ich denke, dass das Friedvolle wehrhaft sein muss, wenn es nicht untergehen will, auch wenn das paradox klingt.
Ich bin in meinem Leben schon viele Male auf verschiedene Weise angegriffen worden, oder war anderweitig in gefährlichen Situationen. Ich rede jetzt nicht von Foren, sondern dem realen Leben und teils durchaus von Lebensgefahr. Weggelaufen bin ich nie. Gewalt habe ich auch nie angewendet. Aber es gab verschiedene Arten, sich zu wehren, die sehr effektiv waren. Das folgende sind nur ein paar wenige Beispiele von vielen.
1. Nach einem Autounfall auf der Autobahn, Aquaplaning, nicht klar, wer schuld war, rannte der Fahrer des anderen beteiligten Wagens, mindestens einen Kopf größer als ich und ein echter Schrank, extrem verärgert auf mich zu, ich bin sicher, der wollte mir eine reinhauen. Ich bin nicht weggelaufen, als er 1cm vor mir stand und mich anbrüllte, habe ich ihm einfach seelenruhig in die Augen geschaut und seinen Ärger sozusagen transformiert in meine Ruhe und Klarheit. Solange, bis er sich beruhigt hat. Wir konnten uns dann gut einigen und am Ende war der sogar richtig freundlich.
2. Als eine Schlägerei vor einem Club entstand, habe ich mit wenigen anderen versucht, die Situation aufzulösen. Es entwickelte sich eine Massenschlägerei, bei der am Ende einer mit gebrochenem Kiefer da lag und wir (die Gruppe derer, die dazwischen gegangen sind) die einzigen waren, die mit ihm auf Krankenwagen und Polizei warteten, die auch wir gerufen hatten. Mein Verhalten war dabei wie ferngesteuert, ich hatte interessanterweise bevor das überhaupt absehbar war, dass etwas passiert, noch im Club das Gefühl, dass sich etwas zusammenbraute und auf einmal tanzten einige buddhistische Schutzgottheiten um mich herum.
In einer Situation, wo es brenzlig wurde und sich mehrere Typen regelrecht ineinander verkeilt hatten, ich stand direkt dahinter, hatte ich bis dahin durchgearbeitet, weil Freunde von mir, die auch schlichten wollten, dort in Gefahr gerieten. Ich hörte mich auf einmal mit einer mir unbekannten Autorität in dieses Knäuel rufen "Auseinander!" - sie ließen für einen Moment ab, was die anderen Helfer in die Lage versetzte, sie auseinanderzuziehen und festzuhalten.
Später, als ich zwischen zwei "Fronten" stand, blitzte sogar ein Messer wenige Millimeter an mir vorbei. Ich habe mich total sicher gefühlt, ich habe keinerlei Gewalt angewendet, aber ich habe auf die Situation eingewirkt und getan, was ich konnte. Ich hatte am Ende nicht den geringsten Kratzer, und nur einen winzigen Tropfen Blut auf dem Ärmel.
3. Ein Typ, auch wieder eine richtige Kante, machte sich in einem Club auf der Tanzfläche ständig an meine Freundin heran. Ich habe mit Körperhaltung, Stimme und Verhalten im Allgemeinen, eine klare Grenze aufgezeigt, die dann auch respektiert wurde.
4. Das alles war noch zu Studi-Zeiten. Vor wenigen Jahren schon hier in Köln hatte ich meinen Roller vor einer Outdoor-Veranstaltung etwas versteckt stehen. Als ich zum Roller zurückkam, standen 3 Typen drumherum, und machten sich irgendwie am Roller zu schaffen. Es war nicht zu erkennen, was sie gemacht haben. Aber es waren niemand anders da, der mir hätte helfen können. Ich fühlte wieder so eine innere Klarheit und Sicherheit, ging einfach weiter auf sie zu, und sagte mit einer gewissen Autorität in der Stimme: "Was macht ihr denn da?" Lustigerweise wirkten sie eher erschreckt, es stellte sich heraus, dass sie den Roller als Tisch benutzt hatten, um eine Nase zu ziehen. (Und nicht etwa den Roller klauen wollten, wonach es zuerst aussah) Ich sag zu ihnen (muss etwas belustigt geklungen haben): das ist doch echt das Letzte, was ist, wenn mich die Polizei anhält und die haben einen Hund dabei und ich krieg Stress, weil der ganze Roller nach Drogen riecht? Da haben sie sich kleinlaut entschuldigt und versucht, den Sitz sauberzuwischen.
Warum hole ich da so weit aus? Die Geschichten haben alle ein gemeinsames Element, und das ist, dass ich selbst weder wütend noch aggressiv war, sondern eine Autorität und Sicherheit ausgestrahlt habe, die ich in dem Moment auch gefühlt habe, und das hat mich in die Lage versetzt, die Situation zu kontrollieren. Und das ist - wenn man bedenkt, dass ich körperlich und zahlenmäßig immer unterlegen war - in meinen Augen nur möglich, weil das die Art ist, wie ich die Schützer erlebe. Also nicht nur als Spiegel einer bestimmten Form von Transformation, sondern als lebendige Aktivierung meiner Schutzkräfte mitsamt Fähigkeiten, die ich mir niemals explizit angeeignet habe.
Die Situation wurde immer so weit wie möglich befriedet, ohne dass ich einen Millimeter zurückgewichen wäre. Diese "innere Kampfkunst" benötigt nicht mal den Einsatz des Körpers. Nicht einmal verbale Gewalt. Die Schützer heißen nicht ohne Grund "
Weisheitsschützer " - sie schützen nicht nur die Weisheit, sondern v.a. auch mit Weisheit und durch Weisheit.