Bei Gewaltanwendung ist oft außer Mitgefühl auch Hass auf die Täter im Spiel denke ich.
Jegliche Form der tibetisch-buddhistisch legitimierten Gewalt sollte idealerweise ohne Zorn und Hass auskommen. Die Schützer haben Zorn und Hass vollkommen überwunden und sind so ein Vorbild für die Fähigkeit, sich so auszudrücken. Gerade die Tibeter sind sicherlich in einer besonderen Position, über Buddhismus und Krieg zu sprechen, denn sie haben ihr eigenes Land verloren und unglaubliche Opfer gebracht, um so viel vom
Dharma Tibets zu retten, wie möglich.
Aber auch in China gab es buddhistische Klöster, die so oft von Räubern überfallen wurden, dass sie eine Kampfkunst entwickelt und Mönche darin ausgebildet haben, damit diese ihre Klöster schützen können.
Wie man diese Welt ohne den überweltlichen Fokus ertragen kann verstehe ich nicht.
Ich denke, dass man auch als Bodhisattva den überweltlichen Fokus nicht verliert. Man nimmt an der Welt teil, tut, was man kann, und versucht nicht am Ergebnis des Handelns anzuhaften. Es ist eine Betrachtung des Moments: Was ist jetzt die bestmögliche Handlung, zu ich fähig bin?
Mein Verständnis des
Vajrayana : Das Versprechen, nicht voll erleuchtet zu werden, bis alle Wesen aus
Samsara befreit sind, halte ich für eine sehr spezielle Methode der Geistesschulung. Sie lenkt den Fokus vom eigenen Ich und eigenen Leid auf das Wohl aller Wesen. Sie lehrt Geduld, denn jedem ist klar, dass das sehr sehr lange dauern wird. Irgendwann erkennt man, dass es ein Fass ohne Boden ist. Aber es ist trotzdem richtig, das Richtige zu tun, auch wenn es nur ein bisschen bewegt. Ganz am Ende wird man wohl erkennen, dass Buddhaschaft und die Befreiung aller Wesen aus dem Samsara gleichzeitig passieren, sodass das Gelübde in dem Moment erfüllt ist. Denn aus Vajrayana-Sicht sieht ein Buddha die Welt als ursprünglich erleuchtet, Samsara als Illusion, Verblendung. Für einen Buddha sind alle Wesen schon immer erleuchtet gewesen. Sie selbst wissen es nur nicht, durch ihre verblendete Wahrnehmung. Und ein Buddha hört auch nicht auf, zu helfen. Der Unterschied ist, dass ein Bodhisattva in der Illusion handelt, er sei einer, der etwas für andere tut. Diese Trennung existiert für einen Buddha nicht mehr. Jedes Handeln ist auf natürliche Weise mit der Situation so verbunden, dass es dem höchstmöglichen Wohl der Wesen dient.