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Sherab

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Buddh. Richtung:
Rime
Eine schöne Erfahrung als
Weihnachtsgeschenk

von Dolpo Tulku Rinpoche
Kürzlich war ich auf einem Bahnhof, bereits eineinhalb Stunden vor der Abfahrt meines Zuges, weil ich dort etwas trinken und mich ausruhen wollte. Vor einer netten Bäckerei saß also ein älterer Herr, vielleicht in den 60ern oder er sah sogar älter aus, hätte aber auch in den 50ern sein können. Jedenfalls hat er nicht einmal nach etwas gefragt, er saß einfach nur da, aber ich habe seine Kleidung erkannt. Ich hatte zwei Sorten abgepackten Käse und ein Sandwich dabei, das mein Gastgeber für meine viereinhalbstündige Zugfahrt vorbereitet hatte. Also gab ich ihm die Brotzeit und den zusätzlichen Käse.
Manchmal wird gesagt, dass diese Leute nur um Geld bitten, um sich Alkohol zu kaufen. Sie möchten kein Essen. Wir sind tatsächlich an diese Art von Erklärung gewöhnt. Aber in dem Moment, als ich ihm das Essen gab, nahm er es freudig und überrascht an. Daraufhin beobachtete ich ihn ein wenig aus der Ferne: er begann sofort, das belegte Brot und auch den Käse zu essen. Er aß alles auf und ließ nichts übrig.
In dem Moment wurde mir klar, dass es wirklich viele Menschen gibt, die auf Bahnhöfen oder auf der Straße sitzen, an vielen Orten, und sie warten nicht nur auf ein alkoholisches Getränk. Nicht, dass das nicht auch wahr wäre, aber ich möchte euch sagen, dass diese Menschen auch auf echte Lebensmittel als ihre tägliche Mahlzeit warten!
Dann ging ich wieder zu ihm hin und fragte ihn, woher er komme. Und er sagte mir, er spreche kein Englisch. Ich habe einfach weiter gefragt: "Woher kommst du?" und "Wo wohnst du?" Und ja, am Anfang war es schwierig, sich ihm zu nähern, weil er schon länger nicht mehr geduscht hatte und man weiß, dass das übel riechen kann. Aber wenn man den Wunsch hat, sich zu nähern und sich auf einander einzulassen, dann verschwindet der üble Gedanke. Ich fragte ihn also nach seinem Namen und so weiter. Aber er hat überhaupt nicht gesprochen. Mir fiel dann auf, dass ihm zwei Vorderzähne fehlten und er sich nicht rasiert hatte und so weiter. Am Ende sagten wir also nur "Gott segne dich!” zueinander. Das war unser Gespräch.
Diese Geschichte ist ein Weihnachtsgeschenk für euch, mein schriftliches Weihnachtsgeschenk.

Ich möchte meine Studenten und Studentinnen, Freunde und Freundinnen und andere Personen bitten, wenn ihr vielleicht denkt: "Oh, es ist Weihnachten, also möchte ich Rinpoche auch ein Weihnachtsgeschenk machen." Falls ihr das denkt, dann teilt bitte dieses Jahr mein Weihnachtsgeschenk, teilt es mit einem oder einer der Obdachlosen!​
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Dharma Weihnachtsgeschichte
Eine schöne Geschichte. 😊 Letzte Woche war ich beim Aldi, und als ich rauskam, saß eine Frau dort, ausländisch. Das sind diese Banden, die die Menschen unterdrücken und zum Betteln schicken. Ich

Ich zahle immer nur mit Karte und das Kleingeld, was ich für die Bettelnden eingesteckt hatte, war alle. Ich habe sie angelächelt, die Arme ausgebreitet und die Schultern geguckt und gesagt: Es tut mir Leid, ich habe gar kein Geld, weil ich immer nur mit Karte zahle.

Sie lachte mich an und sagte nur: Kein Problem, alles Gute! Dann habe ich meine Tasche im Körbchen verstauen wollen, sah all meine Lebensmittel und hatte ein wirklich schlechtes Gewissen. Dann sah ich eine Tafel Schokolade, die ich gekauft hatte, natürlich so eine svea-Sorte, aber glücklicherweise nicht die 85% Bitter. 😁

Die habe ich ihr dann gegeben, und sie hat sich total gefreut. Ich mochte den Moment, wo wir beide die Tafel in der Hand hatten, an unterschiedlichen Enden. Wir haben uns beide gefreut.🙂

Ich habe mir dann sofort wieder Kleingeld eingesteckt.
 
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Re: Dharma Weihnachtsgeschichte
Für solche Situationen Münzen in der Tasche zu haben ist sehr gut. Als ich noch verreiste , hatte ich immer 1-Euro-Münzen in der Hosentasche da ich beim Umsteigen auf Bahnhöfen wie zum Beispiel in Hamburg stets auf Bettler getroffen bin, die freundlich um Hilfe baten.
 
Re: Dharma Weihnachtsgeschichte
Bei unserem letzten Hamburg Besuch hat das Hotel für uns Frühstück to Go eingepackt. Zwei riesige Portionen. Wir mussten noch etwas warten im Bahnhof als uns eine junge Frau ohne Schuhe anbettelte. Ich gab ihr mein Kleingeld, das ich vorher in meine Tasche bereit gestellt hatte. Meine Frau und ich beobachteten sie noch eine Weile wie sie weiter bettelte. Plötzlich sagte meine Frau, daß sie das zweite Sandwich vom Frühstück nicht mehr essen könnte. Ich schlug vor, dass sie das Sandwich der jungen Frau geben könnte und das tat sie auch, unterhielt sich auch ein bisschen mit ihr. Fand ich total klasse von meiner Frau, dass sie das tat. 😊
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Dharma Weihnachtsgeschichte
Meine Nachbarin, die hier alleine lebt, hat gestern, kurz vor Weihnachten, eine "wahrscheinlich Krebs"-Diagnose erhalten und ihr Kopfkino Angst spielt jetzt natürlich verrückt ...
Also sie einladen und mal meine geliebte Weihnachtsroutine zur Seite schieben.

Fällt mir schwer, fühlt sich aber absolut richtig an. Und wer weiss, könnte ja auch toll werden ...
 
Re: Dharma Weihnachtsgeschichte
Meine Nachbarin, die hier alleine lebt, hat gestern, kurz vor Weihnachten, eine "wahrscheinlich Krebs"-Diagnose erhalten und ihr Kopfkino Angst spielt jetzt natürlich verrückt ...
Also sie einladen und mal meine geliebte Weihnachtsroutine zur Seite schieben.

Fällt mir schwer, fühlt sich aber absolut richtig an. Und wer weiss, könnte ja auch toll werden ...

Ich drücke dir die Daumen, dass du sie in irgendeiner Form trösten kannst.
Wobei ich auch den Arzt nicht verstehe, der so eine Diagnose kurz vor Weihnachten raushauen muss. Das hätte sicher auch Zeit gehabt beim nächsten Termin wo dann auch die Diagnose eindeutiger wäre.
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Dharma Weihnachtsgeschichte
Ah, Weihnachtsgeschichten. Bei uns arbeiten wir ja normalerweise nicht am Wochenende und an Feiertagen (im Gegensatz zu fast all meinen vorherigen Arbeitsstellen.). Heute habe ich mich gefragt, warum ich nicht etwas für jene organisiert habe, denen das Alleine Sein an Weihnachten nicht so leicht fällt, wie mir. Muss ich nächstes Jahr unbedingt anbieten - ein paar Stunden offenes Haus mit Kaffee und Gebäck reichen ja schon, da kann ich mich locker dazu setzen.


Aber das ist Zukunftsmusik.
Aileen, finde ich ganz toll. Leider ist es ja immer noch so, dass quasi nur Familie dran ist an Weihnachten.
 
| Mein Blickwinkel: Mein Blickwinkel ist der einer Sozialpädagogin, die viel lernen musste und weiter lernt. Besonders hilfreich waren bisher meine Lehrerin im TB (Nyingma), meine Traumapädagogische Ausbildung und meine Tiere.
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