Turmalin

Mitglied
Buddh. Richtung:
Vajrayana
Ich habe eine komische Art Mitleid. Also wenn ich nur ne Sekunde Ruhe habe, und mir begegnet jemand mit einem Problem, zu dem ich theoretisch was sagen könnte, dann will ich den schon anschreiben. "Kannst mir ne PN schreiben".
Es ist eigentlich so: In letzter Zeit habe ich mich intensiv um jemanden gekümmert. Da kann ich jetzt nichts machen momentan. Ich sage mir: Ist doch gut, du musst nichts machen. Kümmer dich um...XYZ...alles eigene Dinge. Denn derjenige könnte noch mal ankommen mit den Themen. Also kümmer ich mich jetzt besser um mich.

So und jetzt schreibt eine Person X, zu dem ich einen winzigen Kontakt habe auf Twitter: "Depressionen" usw... ist aber ein Mensch der spirituell unterwegs ist..da kann ich also eventuell was sagen. Ich weiß, dass es nicht geht. Ich habe keine Kapazitäten und werde es auch nicht tun.

Ich verstehe nur nicht, wieso ich diese Regung überhaupt habe. Wieso tue ich nicht einfach mal mit mir Mitgefühl. Ich muss zig Sachen alleine für meine Körper machen, weil ich älter werde und ein paar Baustellen habe.

Bloß weil in der Sekunde, in der ich das lese, ein Mensch offensichtlich schlimmere Probleme hat, als ich habe, tut der mir schon wieder leid. So dass sogar körperliche Misstände in den Hintergrund treten.
Ich habe einen Grund, wieso ich auf Twitter bin. Normal läuft das auch gut. (Auch eine Sache, die ich meine machen zu müssen. Na egal, das ist nicht das Problem). Mir ist schon klar, einfach nicht soviel auf "soziale" Medien schauen, dann kommt sowas auch nicht unter meine Nase.

Ok, als meine Frage ist nicht, was soll ich tun usw. Das weiß ich: Meine Kapazitäten abschätzen.

Aber wieso ist dieses Gefühl da und wieso tut das so weh? Also das MitLEID tut weh. Der Buddhistische Pfad sollte eigentlich nicht zu mehr mitLEID führen. Hat vielleicht noch jemand anderes das Problem?

Wenn ich diesem Gefühl folgen würde, bestünden menschliche Kontakte nur noch in "Kümmern um..." das heißt einen Freund kontaktieren, dem es ok geht, würde dann nicht mehr gehen. Und ich gehe schon stark in diese Richtung. Also entweder alleine-sein oder mich-Zuwenden. Ich will es eigentlich nicht, aber Frage: Gibt es sowas auf dem Pfad? Also wenn man es jetzt erfolgreich schaffen würde? Selbst Meister hängen doch mit Freunden ab, oder? Oder sind zumindestens im entspannten Dharma Gespräch. Oder man ist dann eben komplett im Rückzug.

Im Grunde wird das immer schlimmer mit diesem Gefühl.
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
"Helfersyndrom" hieß das früher in der Psychologie.

Es ist nicht so, dass ich das gar nicht habe. Aber es ist aus meiner Sicht stimmiger geworden. Es hilft mir (und dir vielleicht auch?), wenn ich mir das sehr genau anschaue. Auch ruhig mal die Meditation dafür verwenden. Mir Fragen stellen.

"Was genau ist mein Motiv?"
"Was kann ich wirklich tun?"
"Ist es wirklich selbstlos, macht es mir Freude?"
"Welche anderen Motive könnten noch eine Rolle spielen?"
"Möchte der/die Andere meine Hilfe, kann ich solche Signale erkennen?"
"Tut es uns beiden gut, wie ich mich verhalte, welche Hilfe ich anbiete?"

Eine allgemeine Überlegung:
Die Menschen sind voll von Leid. Sowohl ganz offensichtliches Leid, als auch verstecktes Leid. Damit, dass das so ist, muss ich sowieso leben und in gewisser Weise auch zunächst mal Frieden schließen. Aus dieser Haltung heraus kann ich dann auch schauen, ob, wo und wie viel ich helfen kann.
 
| Mein Blickwinkel: Sōtō
Re: Mitleid / Mitgefühl
Aber wieso ist dieses Gefühl da und wieso tut das so weh? Also das MitLEID tut weh. Der Buddhistische Pfad sollte eigentlich nicht zu mehr mitLEID führen. Hat vielleicht noch jemand anderes das Problem?

In dem dominierenden Ausmaß hab ich das nicht und frage mich gerade ob das ein Zeichen von zu viel Egoismus ist. So viel Mitleid nötigt mir schon Respekt ab weil Metta bedeutet ja auch sich selbst mit allen verbunden fühlen. Ich denke aber man leidet mit weil man an Gefühlen hängt und wenn das nicht mehr der Fall ist äußert sich die Verbundenheit als Mitgefühl (karuna ) und darunter leidet man dann nicht.
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
Ich kann das gut nachvollziehen, und kenne das.
Gleichzeitig weiß ich, dass ich auf mich selbst aufpassen muß, dass ich meine Grenzen habe, und diese schützen muß, es macht sonst keiner für mich.
Da muss man sich einen gesunden "Egoismus" aneignen.
Ist wohl eine Baustelle von Dir, an der man bestimmt arbeiten kann.
Es gibt ja ein paar gute Bücher über Selbstfuersorge.
Ist bei mir auch ein Thema (wie bei vielen anderen auch).
🙏
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
"Helfersyndrom" hieß das früher in der Psychologie.

Es ist nicht so, dass ich das gar nicht habe. Aber es ist aus meiner Sicht stimmiger geworden. Es hilft mir (und dir vielleicht auch?), wenn ich mir das sehr genau anschaue. Auch ruhig mal die Meditation dafür verwenden. Mir Fragen stellen.

"Was genau ist mein Motiv?"
"Was kann ich wirklich tun?"
"Ist es wirklich selbstlos, macht es mir Freude?"
"Welche anderen Motive könnten noch eine Rolle spielen?"
"Möchte der/die Andere meine Hilfe, kann ich solche Signale erkennen?"
"Tut es uns beiden gut, wie ich mich verhalte, welche Hilfe ich anbiete?"

Eine allgemeine Überlegung:
Die Menschen sind voll von Leid. Sowohl ganz offensichtliches Leid, als auch verstecktes Leid. Damit, dass das so ist, muss ich sowieso leben und in gewisser Weise auch zunächst mal Frieden schließen. Aus dieser Haltung heraus kann ich dann auch schauen, ob, wo und wie viel ich helfen kann.
Das ist eine gut gemeinte Antwort. Ist aber genau das, was ich nicht meinte. Ich denke, man kann deutlich aus meinem Beitrag entnehmen, dass ich weiß, was zu tun ist mit dem Gefühl. Daher will ich es nicht noch mal erklären.


Die Frage ist: Wieso entsteht das überhaupt?
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
In dem dominierenden Ausmaß hab ich das nicht und frage mich gerade ob das ein Zeichen von zu viel Egoismus ist. So viel Mitleid nötigt mir schon Respekt ab weil Metta bedeutet ja auch sich selbst mit allen verbunden fühlen. Ich denke aber man leidet mit weil man an Gefühlen hängt und wenn das nicht mehr der Fall ist äußert sich die Verbundenheit als Mitgefühl (karuna) und darunter leidet man dann nicht.
Ja, sorry, ich habe deinen Beitrag gar nicht mehr gelesen. Weil ich dachte ich komme hier in einen Strudel hinein, in der Zeit habe ich schon kurz mit der depressiven Person geschrieben.

Im Grunde sagst du das, was ich geahnt habe. Es ist eventuell etwas, was auf dem Weg auftritt, da ich es früher so nicht hatte. Es ist aber ein Gefühl, und damit auch Klesha / Störgefühl. Aber eben eventuell nicht das psycho-Problem "Helfersyndrom". Das heißt, psychologische Methoden nützen hier nicht. Das bedeutet, dass das einzige, was hilft ist, die Leiden der Wesen als leer zu erkennen.
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
Liebe @Turmalin,
Aber wieso ist dieses Gefühl da und wieso tut das so weh? Also das MitLEID tut weh. Der Buddhistische Pfad sollte eigentlich nicht zu mehr mitLEID führen. Hat vielleicht noch jemand anderes das Problem?
Kurz und knapp: altruistisch liebendes Mitgefühl entsteht proportional zum guten Verständnis des Dharma und zur guten Praxis.

Wichtig zu wissen: a.) (auch wenn sehr oft Mitleid gesprochen wird), mein Lehrer sagte, Mitleid sei nicht sinnvoll, denn ein Mitleidender sei nur bedingt in der Lage, sinnvoll Lösungswege zu finden und somit adäquat zu helfen. b.) Mitgefühl umfasst immer die eigene Person, denn es gilt, dieses "kostbare Menschenleben" sinnvoll einzusetzeṇ. Mit ausgebrannten Batterien ist das irgendwann gar nicht mehr möglich ... LG mkha'
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe nicht zwangsläufig aus dem Blickwinkel der Gelug-Prasaṅgika-Madhyamaka, sondern dem Standpunkt meiner Gesprächspartner entsprechend, (auf die ich bemüht bin, einzugehen), sodass es uns möglich ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Re: Mitleid / Mitgefühl
Liebe @Turmalin,

Kurz und knapp: altruistisch liebendes Mitgefühl entsteht proportional zum guten Verständnis des Dharma und zur guten Praxis.

Wichtig zu wissen: a.) (auch wenn sehr oft Mitleid gesprochen wird), mein Lehrer sagte, Mitleid sei ist nicht sinnvoll, denn ein Mitleidender sei nur bedingt in der Lage, sinnvoll Lösungswege zu finden und somit adäquat zu helfen. b.) Mitgefühl umfasst immer die eigene Person, denn es gilt, dieses "kostbare menschenleben" sinnvoll einzusetzeṇ. Mit ausgebrannten Batterien ist das irgendwann gar nicht mehr möglich ... LG mkha'
Lieb gemeint, mhkha. 🤗 Aber das ist Kindergarten-Buddhismus -Unterricht. Das zu wissen verhindert nicht, dass auf dem Weg trotzdem Mitleid auftritt. Genauso, wie, trotzdem man jahrelang auf dem buddhistischen Weg ist, noch Wut / Begierde und die anderen Kleshas auftreten.
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
Das bedeutet, dass das einzige, was hilft ist, die Leiden der Wesen als leer zu erkennen.

Denke ich auch bzw. Anhaftungen und Identifikationen und damit eben dukkha allmählich aufzulösen, was ja der Zweck des ganzen Weges ist. Bis dahin müssen wir unser vermeintliches Selbst halt beschützen damit wir den Weg auch gehen können.
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
Vielleicht kannst du die Art, wie dir das weh tut, noch mehr beschreiben.
Dass es uns weh tut, andere leiden zu sehen, ist ja menschlich und überhaupt der Grund dafür, helfen zu wollen.

Was an dem Wehtun ist so, dass es dich nachdenklich macht?
 
| Mein Blickwinkel: Sōtō
Re: Mitleid / Mitgefühl
Denke ich auch bzw. Anhaftungen und Identifikationen und damit eben dukkha allmählich aufzulösen, was ja der Zweck des ganzen Weges ist. Bis dahin müssen wir unser vermeintliches Selbst halt beschützen damit wir den Weg auch gehen können.
Wie weit geht das Auflösen von Anhaftungen und Identifikationen? Ich finde, den Körper zu vernachlässigen wäre ein Mangel an Achtsamkeit . Aber was braucht man sonst so? "meine Freunde" ist vielleicht auch nur eine Identifikation? Wenn der menschliche Kontakt im Helfen besteht, hat man immerhin noch menschlichen Kontakt. Das ist ja auch was.
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
Vielleicht kannst du die Art, wie dir das weh tut, noch mehr beschreiben.
Dass es uns weh tut, andere leiden zu sehen, ist ja menschlich und überhaupt der Grund dafür, helfen zu wollen.

Was an dem Wehtun ist so, dass es dich nachdenklich macht?
ja ist normal, aber das Ausmaß ist bei mir nicht normal und so vielen Leuten gegenüber. Es fühlt sich immer an, als wär der Mensch da mein allerliebster Schatz. Und dem allerliebsten Schatz versucht doch jeder zu helfen. Ist doch normal.

Nur eben die Anzahl meiner allerliebsten Schätze ist echt kosmu-galaktisch. 😂
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
Wie weit geht das Auflösen von Anhaftungen und Identifikationen? Ich finde, den Körper zu vernachlässigen wäre ein Mangel an Achtsamkeit. Aber was braucht man sonst so? "meine Freunde" ist vielleicht auch nur eine Identifikation? Wenn der menschliche Kontakt im Helfen besteht, hat man immerhin noch menschlichen Kontakt. Das ist ja auch was.
Man findet es durch Erfahrung allmählich heraus wie weit man gehen kann, die individuelle rechte Anstrengung. Wenn ich mir zu viel zumute falle ich auf die Nase, wenn ich zu nachlässig bin falle ich zurück. Das ist in allem so, Essen, Kleidung, Tätigkeiten, menschlicher Kontakt usw., der mittlere Weg wie er der individuellen Situation angemessen ist.
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
Es wäre auch zu überlegen, wie weit das Gefühl nicht auch eine Form von versteckte, Egoismus ist. Das Gefühl, gebraucht zu werden, nicht nur das: helfen zu können. Und gleichzeitig kann es sein, dass man die Probleme, die man bei sich nicht anpackt, v.a. weil man sie gar nicht wahrnimmt, dann im Außen lösen will. Und dann wäre dieser Impuls ein guter Lehrer, ein Spiegel, um zu erkennen, wo möglicherweise da etwas Ähnliches ist, das bei einem selbst ansteht. (aka z.B. im Sinne einer transformativen Methode den Dämon "Mitleid" fragen, was er braucht, dahinter das eigentliche Bedürfnis erkennen und ihn in einen Weisheitsschützer und Helfer umwandeln....)
 
| Mein Blickwinkel: Offen für Fremdeinflüsse. Wichtig ist mir, alles in seinem Kontext zu belassen und authentische Lehren zu schützen. Gleichzeitig ist mein Denken vernetzt und ich schreibe gerne in meinen eigenen Worten, was ich glaube, verstanden zu haben.
Re: Mitleid / Mitgefühl
@mukti hat mir schon geholfen. Ich fühle mich friedlich. Mir ist klar geworden, wie leicht es ist, dieses Gefühl zurück zu nehmen, wenn ich z. b. mehr für meinen Körper tun muss.
Und es gibt auch Menschen die einen verstehen. Also ist man nicht alleine und muss kein Fass aufmachen, weil man nicht soviel mit Freunden redet.
 
Re: Mitleid / Mitgefühl
Warum weint man auf allen möglichen Beerdigungen?
 
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