In wie fern sich das ganze von "klassischer" Koan-Arbeit unterscheidet kann ich nicht bewerten.
Ich weiß nicht, wie ein Gruppen-Studium mit Koan organisiert wird - aber im klassischen Sinn geht es darum
Zazen MIT dem Koan zu praktizieren, als eine Art Meditationsobjekt mit der Frage, die durch das Koan sich stellt. Das ist abhängig von der Tradition, z.B. beginnt man das Koan-Studium im Rinzai entweder mit dem Koan
Mu oder mit dem Ton der einen Hand. Da ist die Frage oder die capping phrase - was ist Mu? oder was ist der Ton der einen Hand? In dem Buch "Zen Sand" sind diese Kurzformen gesammelt.
Das ist das Eingangskoan, wenn man als Zen-SchülerIn akzeptiert wurde. Da gibt es natürlich auch Voraussetzungen, denn man muss schon Zen-Praxis haben, d.h. täglich Zazen und auch schon mehrere längere
Sesshin und so durch die Sesshins mit Dokusan lernt der Leiter die einzelne Person kennen und kann einschätzen, wie die Praxis wirkt. Am günstigsten ist es, wenn man die
Sangha regelmäßig z.B. wöchentlich besuchen kann.
Bei mir war es also Mu und damit praktiziert man dann im Sitzen, Gehen, Tätigsein und kommt als Anfänger zunächst einmal in die eigentliche Zen-Praxis hinein. Obwohl man das Koan auf diese Frage reduziert, hat man den Text des Koan auswendig zu können. Das gilt für alle weiteren Koan. Erst wendet man das Koan so und irgendwann kehrt sich dieser Prozess um und das Koan wendet dich und irgendwann taucht die Anwort auf. Oft kennt man die Antwort bereits recht früh, doch ist noch unsicher und kann es nicht mit der notwendigen Sicherheit realisieren, d.h. zeigen - die meisten Antworten in dem Koan-Studium werden "gezeigt" . Irgendwann kommt es dann zu einem "Druck", d.h. die Zweifel, die dieser Prozess hervorbringt, drängen zum Ausdruck und dann zeigt man die Antwort mit der erforderlichen Sicherheit. Dieser Prozess dauert so seine Zeit, abhängig von verschiedenen Faktoren, wie die Häufigkeit der Begegnung mit dem Lehrer. Man kann es mit einem Reifungsprozess vergleichen und entsprechend gibt es auch unterschiedlilche Grade der Reifung - letztlich fällt die Frucht vom Baum, aber sie kann auch halbreif gepflückt werden und dann mit weiteren Koan reifen. Dann bestätigt der Lehrer die Antwort und dann kommt die nächste Frage, die die Tiefe der ersten Antwort prüft.
Dieser Prozess ist sehr stressig und kratzt an deiner Selbstvorstellung. Und darum geht es ja auch.
Wenn man dieses Eingangskoan passiert hat - das torlose Tor - dann kommen in meiner Tradition etwa 50 gemischte Koan, die aus allen möglichen Schriften, Sutren etc. gesammelt sind. Und dann kommt die erste Koan-Sammlung das Mumonkan MIT Versen, denn jeder Vers ist auch wieder ein Koan. Spätestens da ist mir aufgefallen, dass der Lehrer Einfluss nehmen kann, auf die Qualität des Studiums, indem er dich nicht einfach durchwinkt, sondern dich "schmoren" lassen kann.
Aber bei den späteren Sammlungen, vor allem nach dem Hekiganroku, hat man ja seine Ernsthaftigkeit bewiesen und es geht jetzt lockerer zu - so auf Augenhöhe. Nach 15 bis 20 Jahren ist man dann damit durch und erkennt, dass das Curriculum kein Ende hat - denn es ist ja nur eine Auswahl aus einer letztlich unzähligen Menge an Fällen - das ist im übrigen auch Ursprung des Begriffs "Koan" - öffentlicher Fall, es sind Präzedenzfälle, wie im Rechtssystem, das sich in China zu der damaligen Zeit entwickelt hatte. Entsprechend sammelte man diese Präzedenzfälle oder Musterfälle und deshalb vernichtete man sie dann auch gelegentlich, weil sie der Lebendigkeit des Zen entgegenstehen.
Über dieses Problem hat Jeff Shore einiges geschrieben, z.B. Koan-Zen von Innen.
Weil diese Situation zwischen MeisterIn und SchülerIn ein Abhängigkeitsverhältnis darstellt bzw. darstellen kann, das zu korrupten Handlungen führen kann, gab und gibt es diese Mißbrauchsfälle im Rinzai, die Aitken nach seinem Tod öffentlich machte. Da kam dann einiges ins rollen und ich denke, dass das ein Grund ist, für ein Koan-Studium in Gruppen, aber auch für die stärkere Gewichtung von Frauen im Zen.
In dieser ganzen Zeit des Koan-Studiums studiert man auch Buddhismus und Dogen, Linji/Rinzai und wie sie alle heißen und auch den
Pali -Kanon und den
Theravada , weil die Fragen, die sich so auftun, beantwortet werden wollen. Z.B. was bedeutet denn dieser Vers, der auch ein Koan ist:
Eine besondere Überlieferung außerhalb der Schriften,
unabhängig von Wort und Schriftzeichen:
unmittelbar des Menschen Herz zeigen, –
die (eigene) Natur schauen und
Buddha werden.“
Oder das Herzsutra - Form ist Leere und Leere ist Form. Was bedeutet denn Leere oder Erwachen,
Erleuchtung . Da hat man Vorstellungen und Ansichten, die ganz schön in die Irre führen.
Mir haben die Kommentare zum Genjokoan von Shohaku Okumura sehr geholfen. Ich kann nur jeder und jedem empfehlen sich damit zu befassen.
Das war ein wenig lang und ich hoffe ihr nehmt mir das nicht Übel.
Ich wünsche euch einen schönen Sonntag.