mabli

Mitglied
Buddh. Richtung:
Tibetischer Buddhismus
In meiner Praxis rezitiere ich häufig die vier Unermesslichen . Ich versuche dabei die vier Gefühle wirklich zu erspüren und zu entwickeln und mit persönlich bedeutsamen Situationen zu verbinden. Dabei ist mir aufgefallen, dass ich mir gar nicht so im Klaren bin, was Maitri , Karuna , Mudita und Upeksha eigentlich genau meinen.
Zum Beipsiel Maitri (Pali : Metta) wird häufig mit liebender Güte – manchmal auch mit Liebe – übersetzt. Eine Meditationslehrerin sagte mir einmal, dass es bei der Metta-Meditation darum geht, ein Gefühl wie „Verliebt-Sein“ zu spüren. Eine häufige Empfehlung ist auch mit jemandem zu beginnen, für den man Zuneigung empfindet und diese dann auf weitere Menschen auszudehnen. Wenn ich mehr mit dem Verstand versuche zu verstehen, kann ich auch sehen, dass Maitri Ärger und Feindseligkeit entgegengesetzt ist und Anhaftung -zu große Nähe/Verstrickung - ein indirekter Feind von Maitri ist. Voraussetzungen, um Maitri zu entwickeln, sind dann einmal sich über die Nachteile von Ärger und Feindseligkeit klar zu werden und das Positive in anderen Menschen sehen zu können.
Dennoch frage ich mich öfter, was damit gemeint ist, den anderen Menschen Glück zu wünschen. Welches Glück? Weltliches Glück wie Ruhm, Gesundheit, Erfolg? Oder geht es um ein Glück, das durch heilsames Handeln erwächst? Oder vielleicht auch Ein Glück, das in der Abwesenheit von Schmerz und Leiden besteht?

Welche Erfahrungen habt ihr mit den vier Unermesslichen in Eurer Praxis gemacht? Und schafft ihr es, sie mit Leben zu füllen?
 
| Mein Blickwinkel: Weder traditionell, noch modern, auch nicht beides und schon gar nicht keins von beidem.
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Für mich ist die Entwicklung der 4 Unermesslichen eine Übung, die erst abgeschlossen ist, wenn die 4 Aspekte (Liebe, Mitgefühl, Mitfreude, Gleichmut) tatsächlich "unermesslich" geworden sind, sprich: Wenn man Buddhaschaft erlangt hat.

Die Übung hat für mich zunächst einen wünschenden Aspekt, aber auch einen "Verantwortungsaspekt". Anders ausgedrückt: Es reicht nicht aus, den Wesen auf dem Kissen zu wünschen, dass sie frei sein mögen von Leid und von den Ursachen des Leids und im Alltag keine Verantwortung übernimmt, den Wesen tatsächlich zu helfen, wenn sie das möchten.

Ich habe letztlich in einer Arztpraxis beobachtet, wie eine alte Frau ihren Mantel anzog, weil das Fenster von einer MFA geöffnet worden ist.
Sie traute sich wohl nicht, das Fenster zu schließen, also hab ich sie angesprochen, ob ich das Fenster schließen soll. Oft sind es nur solche "Kleinigkeiten", früher hätte ich so was allerdings gar nicht gemerkt und wäre nicht auf die Idee gekommen zu fragen.

Die 4 Unermesslichen kann man tatsächlich täglich anwenden, in der Kommunikation mit Kollegen, mit der Chefin, mit der Partnerin u.s.w. :)
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Grüß Dich, @mabli, Du fragst:
Welche Erfahrungen habt ihr mit den vier Unermesslichen in Eurer Praxis gemacht? Und schafft ihr es, sie mit Leben zu füllen?
Die sinnvollste Erfahrung, die ich machen musste, war wohl die, zu begreifen, dass nur eines wichtig ist: üben, üben, üben ... Das, was ich übe, geht mir mit der Zeit immer besser von der Hand - und irgendwann verselbstständigt es sich ...

Mein Lehrer war ein geduldiger, liebevoller Mensch, der die Lehre Buddhas lebte. In der folgenden PDF fassen die damaligen Mitarbeiter Geshelas Lehren zum Thema kurz und knapp zusammen. Ich stelle sie mal für Dich ein.

Schwerpunkt-Thema: Die Vier Unermeßlichen Geisteshaltungen_zusammengestellt von Birgit Stratmann: Die Vier Unermeßlichen Geisteshaltungen (PDF)
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe nicht zwangsläufig aus dem Blickwinkel der Gelug-Prasaṅgika-Madhyamaka, sondern dem Standpunkt meiner Gesprächspartner entsprechend, (auf die ich bemüht bin, einzugehen), sodass es uns möglich ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Metta bringe ich eigentlich nicht mit Verliebtheit in Verbindung, das beinhaltet für mich auch die Erwartung geliebt zu werden. Ich übersetze es gerne mit Wohlwollen Das ist in erster Linie eine Gesinnung, die dann auch mit einem Gefühl verbunden ist. Wohlwollen ausnahmslos für alle Wesen, auch für diejenigen die mir keines entgegenbringen. Das lässt sich in jeder Situation üben so dass man sich auch daran erinnert wenn Hass aufkommt - nichts böses sondern nur gutes wünschen. Mögen alle Wesen glücklich sein!
 
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Die 4 Unermesslichen kann man tatsächlich täglich anwenden, in der Kommunikation mit Kollegen, mit der Chefin, mit der Partnerin u.s.w. :)
Das ist wohl wahr und da liegt für mich tatsächlich auch ein Schwerpunkt der Praxis, nicht nur auf den Kissen. Ich finde dein Beispiel auch sehr schön, weil es verdeutlicht, dass du trotz dem großen Ziel, der unermesslichen Qualität, auch die kleinen Schritte im Alltag in die Richtung würdigst.
Das lässt sich in jeder Situation üben so dass man sich auch daran erinnert wenn Hass aufkommt - nichts böses sondern nur gutes wünschen. Mögen alle Wesen glücklich sein!
In meiner Praxis habe ich festgestellt, dass ich durch die Praxis der vier Unermesslichen auch sensibler dafür werde, wenn ich mich über andere ärgere oder etwas negatives über sie denke. Es entsteht bei mir mehr Bewusstheit in dem Punkt. Wobei der Ärger und das Wohlwollen durchaus auch nebeneinander stehen können.
Metta bringe ich eigentlich nicht mit Verliebtheit in Verbindung, das beinhaltet für mich auch die Erwartung geliebt zu werden.
Ja, das mit der Verliebtheit ist vielleicht ein bisschen ein schiefes Bild. Wenn man verliebt ist, hat man ja eine rosarote Brille und sieht den oder die Auserkorene nur positiv.
Die sinnvollste Erfahrung, die ich machen musste, war wohl die, zu begreifen, dass nur eines wichtig ist: üben, üben, üben ... Das, was ich übe, geht mir mit der Zeit immer besser von der Hand - und irgendwann verselbstständigt es sich ...
Das versuche ich zu beherzigen. Ich bin gerade dabei eine regelmäßige formelle Praxis in meinen Alltag einzubauen. Danke Dir auch für den Link zu dem Artikel vom tibetischen Zentrum. Die Zeitschrift mag ich sehr und das ist wirklich ein tolles Archiv.
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Wohlwollen fühlt sich für alle Beteiligten einfach besser an als Ärger und sorgt auch noch für ein gutes Gewissen.
 
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Danke Dir auch für den Link zu dem Artikel vom tibetischen Zentrum. Die Zeitschrift mag ich sehr und das ist wirklich ein tolles Archiv.
Gern geschehen - es freut mich, dass Dir die Zeitschrift gefällt.

Eine weitere gute Quelle ist das von Dr. Alexander Berzin eingepflegte Archiv: https://studybuddhism.com/de - dort findet sich übrigens auch eine Abhandlung zum Thema: https://studybuddhism.com/de/fortge...slichen-gedanken-im-hinayana-mahayana-und-bon
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Im Theravāda sind diese "vier Unermesslichen (appamaññā)" auch als brahmavihāra oder die "vier Göttlichen Verweilungszustände" bekannt:

Ich rezitiere gerne die "Mettā bhāvanā" für mich selbst und für alle Wesen um liebende Güte zu kultivieren.
Ich bemühe mich dabei dies mit ganzem Herzen zu wünschen.
Diese kultivierte innere Haltung sollte man dann auch im täglichen Leben zur Anwendung bringen.

Den Blick auf das Wohl der Mitmenschen u.a. Wesen zu lenken hilft von Gedanken um das "Selbst" wegzukommen, Ich-Anhaftung zu überwinden und natürlich liebende Güte (Mettā) zu kultivieren, was eine wichtige Qualität für den Weg zur Befreiung ist.

Eine spezielle Übung zur Kultivierung aller vier Unermesslichen ist mir bislang nicht vertraut. Ich habe immer den Fokus auf Mettā zu legen gelernt, aber eigentlich sind zumindest karunā und muditā nach meinem Verständnis sehr eng mit mettā verbunden und ich denke das sie mit einbezogen werden und zumindest meinem Eindruck und meiner Erfahrung nach oft einfach nur von Mettā alleine gesprochen wird (z.B. Mettā-Mediation)
 
| Mein Blickwinkel: Gem. meiner Lehrtradition versuche ich aus dem Blickwinkel kulturell und spirituell in Thailand geprägter Menschen zu schreiben und im Rahmen meiner Möglichkeiten ein Kompatibilisieren der Lehre mit im Westen populären Denkmustern und Gewohnheiten zu vermeiden
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Ich rezitiere gerne die "Mettā bhāvanā" für mich selbst und für alle Wesen um liebende Güte zu kultivieren.

Meinst du das Metta-Sutta?

Ich habe immer den Fokus auf Mettā zu legen gelernt, aber eigentlich sind zumindest karunā und muditā nach meinem Verständnis sehr eng mit mettā verbunden und ich denke das sie mit einbezogen werden und zumindest meinem Eindruck und meiner Erfahrung nach oft einfach nur von Mettā alleine gesprochen wird (z.B. Mettā-Mediation)

Ich habe auch den Eindruck dass karunā, muditā und auch upekkhā in mettā enthalten sind, vielleicht werden sie separat genannt weil man sie einzeln für die Meditation verwenden kann, wo sich dann ja auch jhāna erreichen lassen. Damit habe ich aber keine Erfahrung. Upekkhā verstehe ich so, dass man niemanden bevorzugt und allen Wesen gleichermaßen mit Güte begegnet, wie sie sich auch verhalten. Da habe ich jetzt nochmal im Visuddhi Magga nachgesehen, wo das anscheinend bestätigt wird:

Gleichwie, wenn man da jemanden erblickt, der einem weder angenehm noch unangenehm ist, man eben gleichgültig bleibt, genau so durchstrahlt er alle Wesen mit Gleichmut.
Vis.IX.4
 
Zuletzt bearbeitet:
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Mitgefühl (karuna) und liebende Güte (metta) sind auf jeden Fall irgendwie zwei Seiten eine Medaille. Wenn man bei metta wünscht, dass alle Wesen Glück und die Ursachen des Glücks erlangen mögen und bei karuna, dass alle Wesen frei sein mögen von Leid und den Ursachen des Leids, dann ist das ja im Grunde dasselbe nur aus einer anderen Perspektive. Jedenfalls, wenn man Glück als Abwesenheit von Leid begreift. Und meistens sind Leid und Glück ja schon sich gegenseitig ausschliessende Zustände, oder kennt ihr Gegenbeispiele? Bei Mitfreude (mudita) geht es um Eifersucht, Neid und vielleicht auch Stolz als Hindernisse. Und Gleichmut (upekkha) hat nach meinem bisherigen Verständnis eine gewisse Sonderstellung in dem Vierklang, da durch ihn die Ausweitung der anderen drei auf alle Wesen erst ermöglicht wird.
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
mukti schrieb:
Monthatip schrieb:
Ich rezitiere gerne die "Mettā bhāvanā" für mich selbst und für alle Wesen um liebende Güte zu kultivieren.
Meinst du das Metta-Sutta?
Ich hatte mir den Chant als "Mettā bhāvanā" gemerkt, aber es kursieren wohl verschiedene Bezeichnungen wie "brahmavihāra chant", "Mettābhāvanākathā", "Brahmavihāra-Pharanam" unter denen dich dieser Chant finden lässt. Wie nun die korrekte Bezeichnung ist kann ich auch gerade nicht sagen. Es ist eine bekannte Mettā-Rezitation die sich in zahlreichen Chanting-Büchern findet.

Auf der indonesischen Wikipedia-Seite findet sich der Text im Artikel zu "Brahmavihara " unter der Rubrik "Mettā": https://id.wikipedia.org/wiki/Brahmavihara
Beginnend mit Ahaṁ sukhito homi, Niddukkho homi,....
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Monthatip schrieb:
Auf der indonesischen Wikipedia-Seite findet sich der Text im Artikel zu "Brahmavihara " unter der Rubrik "Mettā": https://id.wikipedia.org/wiki/Brahmavihara
Beginnend mit Ahaṁ sukhito homi, Niddukkho homi,....
Dieser Chant ist wohl unter dem Titel "Brahmavihāra-pharaṇā" bekannt.
Ich kannte bislang nur die Mettā-Strophe.
Die gesamte Rezitation umfasst aber im Anschluss an mettā noch weitere Strophen für karunā, muditā und upekkhā.
In der oben verlinkten Wiki-Seite sind diese Strophen auch unter den jeweiligen Rubriken enthalten.
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Dieser Chant ist wohl unter dem Titel "Brahmavihāra-pharaṇā" bekannt.
Ich kannte bislang nur die Mettā-Strophe.
Ich kannte das überhaupt nicht, mag sein dass ich es schon mal wo gehört habe. Es ist bestimmt gut um den Geist oder das Herz auf Metta einzustimmen, wobei auch interessant wäre was es genau bedeutet, also die deutsche Übersetzung.
 
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
@mukti: Das Brahmavihāra-pharaṇā findet sich sowohl in pāli als auch in deutscher Übersetzung im als Dhamma -Dāna auf der Homepage des Waldklosters Muttodaya zum Download angebotenen Rezitationsbuch "Bei dieser Wahrheit" von Ajahn Mettiko unter der Rubrik "Kontemplation " auf Seite 102 wieder: Muttodaya Bücher

Auf der Seite des Waldklosters Muttodaya kann man sich diesen Chant auch als mp3 anhören (Nr 102): https://muttodaya.org/de/uebungscd.html

Dieses Rezitationsbuch ist m.E. eine Empfehlung wert. Es finden sich hier neben zahlreichen Rezitationstexten (Teil 2) auch umfassende Informationen und Erläuterungen über das Chanten im Teil 1 wieder.


Ich konnte übrigens zwischenzeitlich herausfinden das die Texte der ersten (Mettā-)Strophe des Brahmavihāra-pharaṇā dem
- Visuddhimagga (Vis. IX. 1.) --> Mettā für sich selbst
und dem
- Paṭisambhidāmagga II.4 --> Mettā für alle Wesen
entstammen.
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Nun wollte ich gerade schreiben, dass ich etwas Schönes entdeckt habe ... @Monthatip war eindeutig schneller: :) (y)
 

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Brahmaviharā-Pharaṇā_Pali.jpg Brahmavihāra-pharaṇā_Übersetzung.jpg
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Vielen Dank liebe mkha' :)
Das ist wirklich ein schönes Fundstück insbesondere da hier auch die verschiedenen pāli-Texte für Frauen und Männer mit aufgeführt sind. (y)
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Hier gibt es "Das große Buch der buddhistischen Rezitationen" komplett zum download
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morgenpūjā

 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
mukti schrieb:
Upekkhā verstehe ich so, dass man niemanden bevorzugt und allen Wesen gleichermaßen mit Güte begegnet, wie sie sich auch verhalten. Da habe ich jetzt nochmal im Visuddhi Magga nachgesehen, wo das anscheinend bestätigt wird:
Gleichwie, wenn man da jemanden erblickt, der einem weder angenehm noch unangenehm ist, man eben gleichgültig bleibt, genau so durchstrahlt er alle Wesen mit Gleichmut.
Vis.IX.4
mabli schrieb:
Und Gleichmut (upekkha) hat nach meinem bisherigen Verständnis eine gewisse Sonderstellung in dem Vierklang, da durch ihn die Ausweitung der anderen drei auf alle Wesen erst ermöglicht wird.

In der letzten Strophe des Brahmavihāra-pharaṇā geht es um Upekkhā (Gleichmut) für alle Wesen.
Diese Strophe ist dem AN 5.57 Abhiṇhapaccavekkhitabbaṭhāna Sutta entnommen:
Sabbe sattā kammassakā kamma -dāyādā kamma-yonī kamma-bandhū kamma-paṭisaraṇā.
Yaṃ kammaṃ karissanti, kalyāṇaṃ vā pāpakaṃ vā, tassa dāyādā bhavissanti.

alle diese Wesen sind Eigner und Erben ihrer Taten, sind ihren Taten entsprossen, mit ihnen verknüpft, haben sie als Zuflucht und werden die guten und bösen Taten, die sie tun, einst erben.
(AN 5.57)

Die Kontemplierung der Karmaeignerschaft der Wesen als Merkmal des Gleichmuts wird auch im Visuddhi Magga IX beschrieben:
Das Merkmal des Gleichmuts besteht in Betätigung des 'Einhaltens der Mitte', sein Wesen im Erkennen der Gleichheit der Lebewesen, seine Äußerung in Stillung von Abneigung und Zuneigung, seine Grundlage im 'Erkennen der 'Karmaeignerschaft' (kammassakatā) der Wesen, nämlich: "Eigner ihrer Werke sind die Wesen; durch ihrer Werke Einfluß werden sie Glück oder Befreiung vom Leiden erreichen oder des erreichten Glückes nicht verlustig gehen". Der Erfolg des Gleichmuts besteht in Stillung von Zuneigung und Abneigung, seine Abirrung im Entstehen von weltlicher, unwissender Gleichgültigkeit. (Vis. IX.5)
Ich verstehe es so das man kontempliert das alle Wesen ohne Ausnahme ihren Taten entsprungen sind. Es befinden sich also alle in der gleichen Situation eben nur mit unterschiedlichen Früchten. Man bewertet nicht sondern sieht alles gleichmütig als kamma.
 
| Mein Blickwinkel: Gem. meiner Lehrtradition versuche ich aus dem Blickwinkel kulturell und spirituell in Thailand geprägter Menschen zu schreiben und im Rahmen meiner Möglichkeiten ein Kompatibilisieren der Lehre mit im Westen populären Denkmustern und Gewohnheiten zu vermeiden
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
... ich habe die letzte Aussage:
Man bewertet nicht sondern sieht alles gleichmütig als kamma.
... oft gelesen. Irgendwie hakt(e) mein Verständnis; ich versuche mal, das, was ich zu verstehen meine, "auseinander zu dröseln":

Alle Menschen denken, reden und handeln gemäß ihres geistigen Potentials - dessen Leistungsvermögen, den Auswirkungen ihrer Taten entspricht.

Ich kann mich, (unter zur-Hilfe-nahme meiner geistigen Fähigkeiten), gelassen ums Einhalten des Mittleren Weges bemühen, die Gleichheit der Lebewesen erkennen, ihrer Karmaeignerschaft eingedenk sein, und mich um die Stillung von Zu-und Abneigung bemühen, ...

... aber alles gleichmütig als kamma hinzunehmen und nichts und niemanden zu bewerten, (empfinden von gut, neutral, schlecht - bewerten durch will ich/ will ich nicht), ist für mich nicht umsetzbar. ... Was würde ich z.B. tun, wenn ich Zeuge eines Überfalls auf eine Person, einer Prügelei, oder Tierquälerei würde? Ich würde es ganz gewiss (einmal mehr :rolleyes: aber ebenfalls gelassen) bewerten und deshalb die Polizei herbeirufen - und schon mal laut:"Hei, ihr da drüben - aufhören - sofort!" brüllen. ...

Sicher ist es das kamma jedes einzelnen, in genau diesem Moment in seiner jeweiligen Rolle ins Geschehen involviert zu sein, aber ein jeder kann auch in jedem Augenblick, und somit auch in diesem, neu entscheiden, wie er im Jetzt ad hoc zu denken, reden und handeln wünscht. Zum Sinn und Zweck meines Lebens gehört doch auch, für andere und mich selbst etwas Unangenehmes zum Positiven zu verändern.
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Hm, nicht bewerten... mit dem Gleichmut geht wohl nicht die Unterscheidungsfähigkeit von heilsam und unheilsam, oder gut und schlecht verloren. Insofern hat die jeweilige Handlung (kamma) für den Menschen einen Wert, weil sie angenehme oder unangenehme Reaktionen nach sich zieht. Derjenige der gut oder schlecht behandelt wird, macht aber selber kein Kamma und mittels Gleichmut bewertet er die Gefühle die ihm dadurch entstehen wohl nicht, sondern nimmt sie an wie sie eben sind, ohne Begehren oder Hass. Und wenn die vier Unermesslichen zusammenhängen, hat er bei guten Handlungen wohl Mitfreude, bei schlechten Handlungen Mitleid.
 
Zuletzt bearbeitet:
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
... aber alles gleichmütig als kamma hinzunehmen und nichts und niemanden zu bewerten, (empfinden von gut, neutral, schlecht - bewerten durch will ich/ will ich nicht), ist für mich nicht umsetzbar. ... Was würde ich z.B. tun, wenn ich Zeuge eines Überfalls auf eine Person, einer Prügelei, oder Tierquälerei würde? Ich würde es ganz gewiss (einmal mehr :rolleyes: aber ebenfalls gelassen) bewerten und deshalb die Polizei herbeirufen - und schon mal laut:"Hei, ihr da drüben - aufhören - sofort!" brüllen. ...
Ich persönlich denke, dieser Aspekt ist wirklich subtil. Wenn ich Zeuge eines Raubüberfalls wäre oder meine Familie physisch bedroht würde, dann müsste ich handeln. Andernfalls würde ich dem Bösen, also der Ungerechtigkeit, zustimmen und es gleichgültig geschehen lassen, als ob mir alles egal wäre. Ironie, oder?

Ich zitiere eine sehr interessante Stelle zu diesem Thema:

So berichtet das Upaya-kaushalya-Sutra davon, dass Buddha einst in einem früheren Leben als Bodhisattva und Kapitän eines Bootes während einer Schiffsreise von Göttern informiert wurde, dass einer der 500 Mitreisenden beabsichtigte, alle anderen, die angehende Bodhisattvas waren, zu töten. Buddha erkannte, dass der Mörder für diese Tat unendliche Äonen in der Hölle büßen müsste. Den Mitreisenden von dem verbrecherischen Plan zu erzählen, hätte vermutlich dazu geführt, dass sie den Mörder töteten. Das wäre jedoch das Ende ihrer Bodhisattva-Laufbahn gewesen. So entschloss er sich selbst, den potentiellen Mörder zu töten und damit aus Mitleid mit den anderen unendliche Äonen in der Hölle zu verbringen. Dem potentiellen Mörder sowie den angehenden Bodhisattvas blieb dieses Schicksal erspart, da keiner die karmisch unheilvolle Tat des Tötens ausführte.

Ob der Bodhisattva nun tatsächlich unendliche Äonen in der Hölle verbringen muss oder nicht, da seine Tat ja nicht aus negativen Beweggründen geschah, wurde und wird in der Literatur diskutiert. Vgl. Peter Harvey: An Introduction to Buddhist Ethics, Cambridge 2000, S. 136-137.
 
Re: Praxis Die vier Unermesslichen
mkha' schrieb:
... aber alles gleichmütig als kamma hinzunehmen und nichts und niemanden zu bewerten, (empfinden von gut, neutral, schlecht - bewerten durch will ich/ will ich nicht), ist für mich nicht umsetzbar. ...
Ich hatte mich wohl etwas unglücklich und auch zu unpräzise ausgedrückt denn das war es gewiss nicht was ich mit meinen Worten zum Ausdruck bringen wollte. Das wäre ja schon eher Gleichgültigkeit, der Feind des Gleichmutes.


Ich dachte bei meinen Worten an ein Zitat des ehrw. Buddhadasa Bhikkhu welches ich mal gelesen habe aber leider trotz emsigen Suchens jetzt nicht mehr finden kann. Ich versuche es mal aus meiner Erinnerung mit eigenen Worten wiederzugeben: "Alle Wesen haben ihre Gifte. Wenn man es so betrachtet gibt es keine Probleme". Das ist wie gesagt nur eine ungefähre und außerdem auch sehr knappe Beschreibung des Original-Zitates.

Also "Ich habe meine Gifte, meine Freunde haben ihre Gifte, meine Arbeitskollegen haben ihre Gifte, meine Nachbarn haben ihre Gifte...." und wenn jemand mich z.B. schlecht behandelt, beleidigt o.ä. dann versuche ich diese Person nicht als "schlechter Mensch" bis hin zu "mein Feind" zu bewerten (so meinte ich das mit dem bewerten), sondern denke daran das auch diese Person genau wie ich nicht frei von Giften ist und deshalb unheilsame Handlungen mit Körper, Rede und Geist ausführt.

Nun ging es zwar in dem oben erwähnten Zitat von Buddhadasa Bhikkhu um die (Geistes-)Gifte, ich dachte aber das sich diese Sichtweise gleichermaßen auf Kamma (sanskrit "Karma ") übertragen lässt, also
alle diese Wesen sind Eigner und Erben ihrer Taten, sind ihren Taten entsprossen, mit ihnen verknüpft, haben sie als Zuflucht und werden die guten und bösen Taten, die sie tun, einst erben. (AN 5.57)


Diese Sichtweise kann dann helfen gleichmütig zu bleiben und idealerweise Mitgefühl gegenüber der Person zu empfinden. Es ist damit aber nicht gesagt das ich die Handlung selbst nicht als unheilsam erkenne und werte. Hier ist es m.E. wichtig die Handlung und die handelnde Person getrennt zu behandeln. Die Handlung bewerte ich als unheilsam, die handelnde Person als von Giften geplagtes Wesen genau wie alle anderen. Das ist ein Unterschied!
mukti schrieb:
Hm, nicht bewerten... mit dem Gleichmut geht wohl nicht die Unterscheidungsfähigkeit von heilsam und unheilsam, oder gut und schlecht verloren.
mukti schrieb:
Derjenige der gut oder schlecht behandelt wird, macht aber selber kein Kamma und mittels Gleichmut bewertet er die Gefühle die ihm dadurch entstehen wohl nicht, sondern nimmt sie an wie sie eben sind, ohne Begehren oder Hass. Und wenn die vier Unermesslichen zusammenhängen, hat er bei guten Handlungen wohl Mitfreude, bei schlechten Handlungen Mitleid.
So sehe ich es auch. Kamma würde die betroffene Person produzieren wenn sie mit willentlichen Gestaltungen (saṅkhāra-khandha) à la "Ich hasse diese Person" auf die schlechte Behandlung reagiert, woraus dann zukünftig noch weitere Handlungen und Reaktionen resultieren können.


Es ist ein schwieriger subtiler Punkt finde ich und ich will nicht behaupten Upekkhā in diesem Zusammenhang - gleichwie in anderen - tatsächlich verstanden zu haben. 😉

Auf der Seite https://www.theravadanetz.de/studium/ findet sich ein Text von Aggañāṇī: Upekkha - 10 Arten von Upekkha. Agganyani.
Hier wird auf diese Form des Gleichmutes unter Punkt 2 "Brahmavihār’ upekkhā - Gleichmut der göttlichen Verweilungen (Brahmavihāras)" eingegangen.


@Igor07: Diese Stelle aus dem Upaya-kaushalya-Sutra ist mir auch bekannt. Das betrifft dann die Frage des aktiven Handelns in gefahrvollen, bedrohlichen Situationen.
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Das Merkmal des Gleichmuts besteht in Betätigung des 'Einhaltens der Mitte', sein Wesen im Erkennen der Gleichheit der Lebewesen, seine Äußerung in Stillung von Abneigung und Zuneigung, seine Grundlage im 'Erkennen der 'Karmaeignerschaft' (kammassakatā) der Wesen, nämlich: "Eigner ihrer Werke sind die Wesen; durch ihrer Werke Einfluß werden sie Glück oder Befreiung vom Leiden erreichen oder des erreichten Glückes nicht verlustig gehen". Der Erfolg des Gleichmuts besteht in Stillung von Zuneigung und Abneigung, seine Abirrung im Entstehen von weltlicher, unwissender Gleichgültigkeit.

Ich hatte mich auch schon gefragt, was es heißt, dass die Ursache oder Grundlage von Gleichmut das Erkennen der Karmaeigenschaft sei - Berzin schreibt in dem oben von @mkha' verlinkten Text vom Verständnis, dass jedes begrenzte Wesen für sein Karma verantwortlich sei. Wie geht hier die karmische Prägung und die Verantwortung für das eigene Karma zusammen? Einerseits sind ihre jetzigen Handlungen durch Karma geprägt, andererseits können sie durch ihre jetzigen Handlungen ihre Befreiung bewirken. So ungefähr? Damit hängt philosophisch betrachtet die Frage nach Determinismus und Freiheit des Handelns und des Willens zusammen, oder?

Diese Sichtweise kann dann helfen gleichmütig zu bleiben und idealerweise Mitgefühl gegenüber der Person zu empfinden. Es ist damit aber nicht gesagt das ich die Handlung selbst nicht als unheilsam erkenne und werte. Hier ist es m.E. wichtig die Handlung und die handelnde Person getrennt zu behandeln. Die Handlung bewerte ich als unheilsam, die handelnde Person als von Giften geplagtes Wesen genau wie alle anderen. Das ist ein Unterschied!
Ich würde das auch so verstehen, dass Gleichmut nicht die Verurteilung von Unrecht und Ungerechtigkeit ausschließt. Es ist entscheidend, was dann auf die Verurteilung folgt? Folgt darauf eine empörte Wutreaktion oder eine pragmatische und mitfühlende Reaktion.
 
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Re: Praxis Die vier Unermesslichen
Vielen Dank für Deine nochmalige Erklärung, @Monthatip,
Ich hatte mich wohl etwas unglücklich und auch zu unpräzise ausgedrückt denn das war es gewiss nicht was ich mit meinen Worten zum Ausdruck bringen wollte.
Das dachte ich mir, ... daher schrieb ich:
... ich versuche mal, das, was ich zu verstehen meine, "auseinander zu dröseln"...
Deine zweite Erklärung zeigte mir nun auf, dass ich Deine erste korrekt verstanden habe. 🙏
 
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