Sherab

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Buddh. Richtung:
Rime
Oliver Petersen sagt, dass es schwieriger ist, Begierde als Geistesgift zu identifizieren wie Hass, Ärger o.ä.

Wie genau wird das Geistesgift Begierde in den verschiedenen Traditionen definiert?

Was unterscheidet Begierde von Anhaftung?

Wenn man Begierde entwickelt (zum Beispiel möchte man unbedingt einen bestimmten Gegenstand besitzen), aber dabei niemanden schädigt, was macht diese Form von Begierde dann zu einem Geistesgift?

Oder: Wird Begierde erst dann zum Geistesgift wenn man nicht loslassen kann, wenn aus Begierde Anhaftung wird (der Wunsch, einen bestimmten Gegenstand zu besitzen entwickelt sich zu einer Art "Sucht", man verkrampft sich im Geist bei der Vorstellung den Gegenstand nicht zu besitzen) ?
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Begierde
Wollen nachzugeben schafft ebenso Gewohnheiten, wie nicht wollen nachzugeben.

Mehr, mehr, Gewohnheit, Sucht…. nicht soo frei, oder?
 
Re: Begierde
Wollen nachzugeben schafft ebenso Gewohnheiten, wie nicht wollen nachzugeben.

Mehr, mehr, Gewohnheit, Sucht…. nicht soo frei, oder?

Ja, sehe ich auch so *.
Hast Du dazu eine Quelle?

*Wobei die Abgrenzung zwischen Begierde, Gewohnheit und Sucht im Einzelfall schwierig sein könnte.
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Begierde
Oder: Wird Begierde erst dann zum Geistesgift wenn man nicht loslassen kann, wenn aus Begierde Anhaftung wird (der Wunsch, einen bestimmten Gegenstand zu besitzen entwickelt sich zu einer Art "Sucht", man verkrampft sich im Geist bei der Vorstellung den Gegenstand nicht zu besitzen) ?
Begierde ist meines Erachtens bereits ein Geistesgift, ein Anzeichen dass der Geist getrübt ist. Die Ursache von Begierde ist dukkha , man will etwas haben weil man mit dem gegenwärtigen Zustand nicht zufrieden ist. Wäre man das, würde man ja nichts begehren. Dabei ist man nicht darüber bewusst dass alles vergänglich ist, dass also das Glück das man durch den Sinneskontakt mit Objekten erfährt wieder vergehen wird. Auf diese Art lässt sich dukkha also nicht dauerhaft beseitigen, nur durch Loslösung ist das möglich, mittels Erkenntnis der vier edlen Wahrheiten und der drei Daseinsmerkmale (dukkha, anicca und anatta ).

Was meint ihr wohl, o Mönche: Ist die Körperlichkeit (rūpa) vergänglich oder unvergänglich? Vergänglich, o Ehrwürdiger. Sind Gefühl (vedanā), Wahrnehmung (saññā), Geistesformationen (saṅkhāra) und Bewußtsein (viññāna) vergänglich oder unvergänglich? Vergänglich, o Ehrwürdiger. Was aber vergänglich ist, ist das leidvoll oder freudvoll? Leidvoll, o Ehrwürdiger.
Von dem aber, was vergänglich, leidvoll und dem Wechsel unterworfen ist, kann man wohl da mit Recht sagen: 'Das gehört mir, das bin ich, das ist meine Persönlichkeit?' Nein, o Ehrwürdiger.
Was es daher, ihr Mönche, an Körperlichkeit gibt, an Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen und Bewußtsein, da hat man der Wahrheit gemäß in rechter Einsicht zu verstehen: 'Das gehört mir nicht, das bin ich nicht, das ist nicht meine Persönlichkeit'.« (M. 22 u. a.)

Durch Begierde entwickelt sich Anhaftung an das begehrte Objekt und weil dieses mit Sicherheit wieder vergehen wird entsteht dukkha. Es gibt die Meinung dass Begierde nicht dukkha verursacht wenn man das begehrte Objekt einfach loslässt wenn es von Natur aus vergeht oder sich unvorteilhaft verändert. Begierde wäre also kein Problem solange sie nicht zu Anhaftung wird. Soweit ich das sehe ist aber Begierde ohne Anhaftung unmöglich, weil Begierde bereits ein Symptom von Anhaftung ist. Denn ohne Anhaftung an der Vorstellung von "Ich" und "Mein" gäbe es eben keine Begierde.
 
Re: Begierde
Die Ursache von Begierde ist dukkha , man will etwas haben weil man mit dem gegenwärtigen Zustand nicht zufrieden ist.

Bei uns vor Ort gibt es zur Zeit ein Angebot, Glasfaserkabel kostenlos bis zur Haustür verlegen zu lassen.
Wenn 40 % der Einwohner zustimmen, legt das Unternehmen los.

Mit einem Kupferkabel kann ich zwar leben, aber der Nutzen von Glasfaser (auch bezüglich Nachhaltigkeit) ist für mich offensichtlich.

Ein neuer technischer Standard soll geschaffen werden.

Begierde?

Ich bin ja mit dem gegenwärtigen Zustand durchaus zufrieden.

Und so wäre ich nicht traurig, wenn die 40 % nicht zusammen kämen.

In meinem Geist wird kein "Durcheinander" produziert. Es fühlt sich nichts "schlecht" an.
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Begierde
Ja, sehe ich auch so *.
Hast Du dazu eine Quelle?

*Wobei die Abgrenzung zwischen Begierde, Gewohnheit und Sucht im Einzelfall schwierig sein könnte.
Die Quelle liegt in dem, was mir beigebracht wurde, geprüft mit eigener Erfahrung (sorry).
Es braucht keine Abgrenzung zwischen den Begriffen, wenn ich weiß, dass eines zum anderen führt oder zumindest führen kann. Wenn ich eine starke Gewohnheit habe, ist mir klar, dass diese die Folge meiner früheren Handlungen ist. Ich kann niemand anderem die Verantwortung dafür geben, meine Baustelle.

So ist Begierde, auch wenn sie „niemand anderem schadet“ ein Geistesgift.
 
Re: Begierde
Ich kann niemand anderem die Verantwortung dafür geben, meine Baustelle.

Das will ja auch niemand :)

Es braucht keine Abgrenzung zwischen den Begriffen, wenn ich weiß, dass eines zum anderen führt oder zumindest führen kann

Ich verstehe manchmal besser wenn man konkrete Beispiele verwendet. Mein obiges Beispiel mit Glasfaser?
Da ist zwar auch "Haben wollen" (Begierde), aber keine Gewohnheit.

Beim Genuss von Wein, Bier oder Schokolade ist da schon eher eine Gewohnheit, weil die Anhaftung sehr stark ist.

Beim Genuss einer Bio Kartoffel zum Mittagessen sehe ich keine Anhaftung, natürlich soll sie schmecken (ist das die Gewohnheit?).
 
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Re: Begierde
Re: Begierde
Ich verstehe manchmal besser wenn man konkrete Beispiele verwendet. Mein obiges Beispiel mit Glasfaser?
Da ist zwar auch "Haben wollen" (Begierde), aber keine Gewohnheit.

Beim Genuss von Wein, Bier oder Schokolade ist da schon eher eine Gewohnheit, weil die Anhaftung sehr stark ist.

Beim Genuss einer Bio Kartoffel zum Mittagessen sehe ich keine Anhaftung, natürlich soll sie schmecken (ist das die Gewohnheit?).

beim Wein und Zucker tippe ich auf Sucht, beim Rest einfach auf Gewohnheit, es sich bequem zu machen. Aber das macht m.e. nur Sinn, wenn man das für sich selbst betrachtet… ich also meine eigene Zuckersucht betrachte, nicht deine.
 
Re: Begierde
Ich unterscheide zwischen Begierde und Anhaftung kaum noch. Das eine führt zum anderen, es liegt ganz nah beieinander.

Bei einzelnen Dingen, die meine Begierde wecken, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich genau zu beobachten, wenn ich den Wunsch aufkeimen sehe.
Da wo der Wunsch besonders stark ist, da kann ich schon sicher sein, dass das Leid am Ende ebenfalls besonders groß sein wird, wenn ich wieder loslassen muss. 😕
Das Erkennen der Begierde ist aber schonmal viel wert. Das bewahrt mich davor, mir etwas vorzumachen.
 
| Mein Blickwinkel: Sōtō
Re: Begierde
Bei uns vor Ort gibt es zur Zeit ein Angebot, Glasfaserkabel kostenlos bis zur Haustür verlegen zu lassen.
Wenn 40 % der Einwohner zustimmen, legt das Unternehmen los.

Mit einem Kupferkabel kann ich zwar leben, aber der Nutzen von Glasfaser (auch bezüglich Nachhaltigkeit) ist für mich offensichtlich.

Ein neuer technischer Standard soll geschaffen werden.

Begierde?

Ich bin ja mit dem gegenwärtigen Zustand durchaus zufrieden.

Und so wäre ich nicht traurig, wenn die 40 % nicht zusammen kämen.

In meinem Geist wird kein "Durcheinander" produziert. Es fühlt sich nichts "schlecht" an.

Was die Welt zugrunde richtet ist doch im Grunde die Begierde. Technik kann ja sehr hilfreich sein indem sie das Leben angenehmer macht, aber es wäre wohl besser sich mit einem hinreichenden Standard zufrieden zu geben anstatt endlos mehr zu wollen. 40% Zustimmung finde ich übrigens etwas undemokratisch, eine Minderheit, immerhin wird man überhaupt gefragt. Ich hab immer schon einen Datenstick für's Internet, das geht zwar etwas langsam aber es genügt.
 
Re: Begierde
Es ging ja um die Aussage, dass Begierde subtiler ist wie Hass oder Ärger.
Warum wird das so gesagt? Ich dachte ein Grund dafür könnte sein, dass man unterscheidet zwischen Anhaftung und Begierde, Gewohnheiten und Sucht. Hass ist einfach Hass. Ärger ist Ärger. Leicht zu identifizieren wenn er im Geist "erscheint". Für euch scheint es aber auch leicht, Begierde zu identifizieren, richtig?
Ist also die These von Oliver Petersen nicht korrekt?
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Begierde
Es ging ja um die Aussage, dass Begierde subtiler ist wie Hass oder Ärger.
Subtil bedeutet ja, dass etwas nicht so leicht zu erkennen ist. Wenn Hass oder Ärger in uns aufkommen, können wir dies anhand des unangenehmen Erlebens, das damit verbunden ist, recht einfach feststellen. Bei Begierde ist es nicht so einfach, weil sie ja auch mit angenehmen Erleben verbunden ist. Begierde ist ja dadurch gekennzeichnet, dass für eine Attraktivität aufs Begierdeobjekt projizieren. Dies erleben wir ja nicht als etwas Unangenehmes wie den Ärger.
 
Re: Begierde
Sherab:
Es ging ja um die Aussage, dass Begierde subtiler ist wie Hass oder Ärger.
Warum wird das so gesagt? Ich dachte ein Grund dafür könnte sein, dass man unterscheidet zwischen Anhaftung und Begierde, Gewohnheiten und Sucht. Hass ist einfach Hass. Ärger ist Ärger. Leicht zu identifizieren wenn er im Geist "erscheint". Für euch scheint es aber auch leicht, Begierde zu identifizieren, richtig?
Ist also die These von Oliver Petersen nicht korrekt?

Kommt darauf an was man alles unter "Hass" versteht. Wenn man traurig ist über etwas das man nicht will kann das schon subtiler sein als Zorn. Oder Ablehnung die mit Stolz verbunden ist, überhaupt alle dukkha-Gefühle die mit Ablehnung zusammenhängen. Und Hass kann wohl auch eine Gewohnheit sein, etwa bei einem Griesgram oder eine Sucht wäre Rachsucht.
Begierde kann ich oft nur bei wacher Achtsamkeit identifizieren, was nicht gerade ständig der Fall ist. Wenn Begierde oder Hass stark und grob sind fällt es leichter auf.
 
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Re: Begierde
Subtil bedeutet ja, dass etwas nicht so leicht zu erkennen ist. Wenn Hass oder Ärger in uns aufkommen, können wir dies anhand des unangenehmen Erlebens, das damit verbunden ist, recht einfach feststellen. Bei Begierde ist es nicht so einfach, weil sie ja auch mit angenehmen Erleben verbunden ist. Begierde ist ja dadurch gekennzeichnet, dass für eine Attraktivität aufs Begierdeobjekt projizieren. Dies erleben wir ja nicht als etwas Unangenehmes wie den Ärger.

Ich weiß nicht mehr ob es Oliver Petersen oder einer der anderen Tutoren war, der Hass und Begierde sinngemäß wie folgt beschrieb: "Hass ist wie ein Feuer, dass schnell lodert, alles um sich zerstört und dann erlischt. Begierde ist wie Wasser. Man badet darin, plantscht, fühlt sich wohl... und doch ist es gefährlich und man kann ertrinken."
 
Re: Begierde
Es ging ja um die Aussage, dass Begierde subtiler ist wie Hass oder Ärger.
Warum wird das so gesagt? Ich dachte ein Grund dafür könnte sein, dass man unterscheidet zwischen Anhaftung und Begierde, Gewohnheiten und Sucht. Hass ist einfach Hass. Ärger ist Ärger. Leicht zu identifizieren wenn er im Geist "erscheint". Für euch scheint es aber auch leicht, Begierde zu identifizieren, richtig?
Ist also die These von Oliver Petersen nicht korrekt?
Ich denke schon, dass er recht hast. Wenn ich in der Sonne sitze und den Duft der Umgebung einatme und in diesem Zustand Glück empfinde entsteht ein sehr subtiles festhaltenwollen der Situation in mir. Mir dessen bewusst zu sein finde ich viel schwieriger, als zu wissen, dass ich den Nachbarn ablehne, weil sein Hund immer um ein Uhr nachts bellt. :unsure:
 
Re: Begierde
Begierde finde ich nicht schwieriger zu erkennen als Hass, aber die Schädlichkeit der Begierde ist schwieriger zu erkennen als die Schädlichkeit des Hasses. Es ist nicht so leicht einzusehen dass etwas Angenehmes letztlich zu dukkha führt und selbst wenn man es versteht ist es nicht leicht sich dem zu enthalten. Besonders wenn durch den Genuss kein Schaden entsteht, ist nicht direkt erkennbar dass Begehren an Samsara mit Geburt, Alter, Krankheit und Tod bindet so dass man ahnungslos in harmlosen Sinnesfreuden schwelgt. Hass ist dagegen an sich unangenehm, richtet offensichtlich Schaden an und erzeugt unmittelbar dukkha.
 
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