Helmut

Mitglied
Buddh. Richtung:
Madhyamaka
Ich beschäftige mich zur Zeit mit dem Lamrim und da insbesondere mit der Mittleren Stufe. Die Erklärungen zu dieser Stufe beginnen mit den allgemeinen Leiden des Samsara . Diese werden in acht, sechs und drei Leiden eingeteilt.

L.S.Dagyap Rinpoche sagt dazu in "Achtsamkeit und Versenkung", dass sich diese Aufzählungen nur von der Ausführlichkeit her unterscheiden, aber nicht im wesentlichen. (vgl. S.191)

Das müsste ja bedeuten, dass man diese drei Aufzählungen in Beziehung zueinander setzen kann. Bei der Aufzählung von acht und drei Leiden scheint mir das recht einfach zu sein. Aber wie ich die sechs Leiden mit den beiden anderen Aufzählungen in Beziehung setzen kann, ist mir noch nicht so recht klar. Wisst ihr dazu genaueres?
 
Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Mir sind lediglich die drei Leiden ein Begriff. Könntest Du die 8 und 6 Leiden vielleicht stichwortartig beschreiben?
Auch kenn ich das Buch "Achtsamkeit und Versenkung" nicht.
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Ich liste einfach mal auf wie die acht und die sechs Arten von Leiden von Dagyab Rinpoche in "Achtsamkeit und Versenkung" genannt werden.

Die acht Arten von Leiden:
  1. Geburt (Empfängnis)
  2. Alter
  3. Krankheit
  4. Tod
  5. Begegnung mit Unerwünschtem
  6. Getrenntsein von Erwünschtem
  7. Nicht erlangen, was man sich wünscht
  8. Die fünf (unreinen) Skandhas sind Leiden.
Die sechs Arten von Leiden:
  1. Es gibt keine Sicherheit
  2. Es gibt keine Befriedigung
  3. Der Körper muss immer wieder aufgegeben werden
  4. Man muss immer wieder wiedergeboren werden
  5. Immer wieder wandeln sich hohe in niedrige Zustände
  6. Es gibt keinen Freund über den Tod hinaus.
 
Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Ich liste einfach mal auf wie die acht und die sechs Arten von Leiden von Dagyab Rinpoche in "Achtsamkeit und Versenkung" genannt werden.


Die sechs Arten von Leiden:
  1. Es gibt keine Sicherheit
  2. Es gibt keine Befriedigung
  3. Der Körper muss immer wieder aufgegeben werden
  4. Man muss immer wieder wiedergeboren werden
  5. Immer wieder wandeln sich hohe in niedrige Zustände
  6. Es gibt keinen Freund über den Tod hinaus.
Ich habe keine Quelle. Aus meiner Sicht würde ich

1) Leid der Veränderung
2) Leid der Veränderung
3) Alles durchdringendes Leid
4) Alles durchdringendes Leid
5) Alles durchdringendes Leid
6) Leid der Veränderung

zuordnen. Die erste Form des Leidens "Leid des Leidens" (psychische, physische Schmerzen) trifft eventuell auch auf Punkt 6 zu.

Aber wie gesagt: Das ist nur meine persönliche Einschätzung.

Vielleicht können andere da auch Quellen angeben?
 
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Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Das ist schon mal ein guter Ansatz, @Sherab . Die sechs Arten von Leiden sowie auch die acht Arten von Leiden den drei Arten des Leidens zuzuordnen scheint mir ein guter Ansatz zu sein, um dem Zusammenhang der drei Einteilungen des Leidens näher zu kommen.

Das 5.Leid: Immer wieder wandeln sich hohe in niedrige Zustände würde ich dem Leid der Veränderung / Leid des Wandels zuordnen. Beim 6.Leid bin ich mir nicht sicher.

Wenn man die sechs Leiden den drei Leiden zuordnet, müssen auch Leiden, die zu den sechs Leiden gehören, dem Leid des Leidens zugeordnet werden können aufgrund der Aussage von L.S. Dagyab Rinpoche. Beim 6. Leid bin ich mir mir wie gesagt nicht sicher. Vielleicht hilft es weiter, das Leid, den Körper immer wieder aufgeben zu müssen, und das Leid, immer wieder wiedergeboren zu werden, in zwei Aspekte aufzuteilen.

Beim Leid, den Körper immer wieder aufgeben zu müssen, kann man einerseits den Aspekt des Todes und den Aspekt des unfreilligen Sterben unterscheiden. Der erste Aspekt würde dann zum Leid des Leidens gehören und der zweite Aspekt zum allesdurchdringenden Leid. Genauso bei dem Leid, immer wieder wiedergeboren zu werden.

Das sind so meine Überlegungen. Ich habe auch keine Quellen in denen eine Zuordnung der sechs Arten von Leiden zu den drei Arten von Leiden vorgenommen werden. Ich habe bisher nur eine Zuordnung der acht Leiden, die Buddha Sakyamuni im Zusammenhang mit der ersten edlen Wahrheit erläutert, zu den drei Arten von Leideen gefunden. Und zwar in einer Fußnote, die Bkikkhu Bodhi seiner Übersetzung der ersten Lehrrede des Buddha hinzugefügt hat.
 
Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Bei dem 5. Leid wäre die Frage wie man "hohe" und "niedrige" Zustände definiert.

Ich verstehe es so, dass damit die Daseinsbereiche gemeint sind. Der Horizont geht über das jetzige Leben hinaus, daher ist es für mich "alles durchdringende Leid"

Wenn man es als das übliche Auf und Ab innerhalb dieses Leben bezieht, dann passt das mit dem "Leid der Veränderung". Kriterium ist hier der zeitliche Horizont.

Hm. Leid Nummer 6 könnte tatsächlich auch zum alles durchdringenden Leid zählen wenn man den Zeithorizont als Kriterium akzeptiert. Allerdings auch zum Leid des Leidens, denn wenn man einen Freund verliert empfindet man psychische Schmerzen.
 
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Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Die sechs Arten des Leidens werden in Achtsamkeit und Versenkung nicht sehr ausführlich dargestellt. Zum 5.Leid: Immer wieder wandeln sich hohe in niedrige Zustände: heißt es:

"In Samsara herrscht ein ständiges Auf und Ab. Manchmal erlange ich eine hohe Position, Reichtum, Macht, Ansehen; aber das bleibt nicht immer so, ich kann sehr schnell wieder herabstürzen." (S.203)

In den Lamrim-Unterlagen des Systematischen Studiums heißt es zu diesem Leid:

"Weiter ist der Daseinskreislauf vom Leid des Wandels charakterisiert. Immer wieder gibt es einen Wechsel, zum Beispiel von einer hohen gesellschaftlichen Position zu einer niedrigen. [...] Auch mag es geschehen, dass man eine günstige Geburt annimmt und zu [...] einem mächtigen politischen Führer wird. Aber auch diese Situation wird nicht bleiben; man wird die Machtposition wieder verlieren und in eine niedrige Stellung gelangen [...] Im Daseinskreislauf gibt es überhaupt keine Sicherheit in Bezug auf die gesellschaftliche Position, die man innehat."

Diese Aussagen zu diesem Leid würde zum Leid des Wandels zählen und sie auf die derzeitige samsarische Existenz beziehen. Ich würde sie nicht zu dem allesdurchdringenden Leid zählen, weil das allesdurchdringende Leid unsere durch Karma und Klesas unfreiwillig angenommenen Aggregate (Skandhas) sind. Das allesdurchdringende Leid ist meines Erachtens die Grundlage / Ursache dafür, dass wir die sechs Arten von Leiden erleben.

Da die sechs Arten des Leidens, die acht Arten des Leidens und die drei Arten des Leidens zu den allgemeinen Leiden in Samsara gehören, werden sie natürlich auch in jeder samsarischen Existenz erlebt; egal in welchem Daseinsbereich man unfreiwillig Geburt annimmt.
 
Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Ich denke inzwischen, dass die sechs Arten der Leiden sehr stark die Unsicherheit und die Unbeständigkeit in den samsarischen Existenzen betonen.
  • Es gibt keine Sicherheit in samsarischen Existenzen, weil wir uns auf nichts verlassen können
  • Es gibt keine Befriedigung in samsarischen Existenzen, weil uns immer noch ein Stückchen zu unserem Glück fehlt.
  • In samsarischen Existenzen gibt es keine Sicherheit bezüglich der sozialen und gesellschaftlichen Position, weil sie dem steten Wandel unterliegen.
Deshalb würde ich diese drei Arten der sechs Arten des Leidens dem Leid des Wandels zuordnen.

Die beiden Leiden:
  • Der Körper wird immer wieder aufgegeben
  • Man muss immer wieder wiedergeboren werden
zeigen, dass auch das allesdurchdringende Leiden ein abhängiges Phänomen ist. Das allesdurchdringende Leid als eine Art der drei Leiden betont meines Erachtens, dass wir die samsarischen Existenzen erleben, weil wir unter der Macht von Karma und Klesas stehen. Im Zusammenhang mit den sechs Arten des Leidens betonen diese beiden Arten des Leidens meines Erachtens mehr den Aspekt der Abhängigkeit und Unbeständigkeit.
 
Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Nachdem Pabongka Rinpoche in Befreiung in unseren Händen die sechs allgemeinen Leiden erklärt hat, sagt er:

"Unabhängig davon, ob Samsara im Allgemeinen endlos ist oder nicht, müsst ihr euer eigenes Samsara beenden. Wollt ihr euer Leid begrenzen und euer eigenes Samsara überwinden, müsst ihr ...die stetige Folge eurer samsarischen Wiedergeburten durchbrechen." (Band 2, S.26)

Und dazu muss man auf der mittleren Stufe des Lamrim die Entsagung entwickeln; den Wunsch, die eigene Fesselung an den Daseinskreislauf durch Karma und Klesas überwinden zu wollen. Deshalb sind die Vier Edlen Wahrheite das zentrale Thema der mittleren Stufe des Lamrims.
 
Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Im Zusammenhang mit dem allesdurchdringenden Leid schreibt Pabongka Rinpoche in Befreiung in unseren Händen:

"Die Aggregate sind die schlimmsten aller Leiden: Samsara ist ein Zustand der Hilflosigkeit, in dem man aufgrund von Karma und Verblendungen die Last der verunreinigten, belasteten Aggregate tragen muss. Das bedeutet, dass man überall wiedergeboren wird [...] und immer weiter in diesen Zuständen kreist. Daher ist es richtig, die verunreinigten, belasteten Aggregate selbst als Samsara anzusehen. Samsara überdrüssig sein, heißt daher, der Aggregate überdrüssig sein. So lange man nicht des Leidens überdrüssig ist, das alle bedingten Phänomene durchdringt, hat man auch noch nicht wirklich genug von Samsara" (Band 2, S.47/48)
 
Re: Tibetisch Die allgemeinen Leiden des Samsara
Auf der mittleren Stufe des Lamrims geht es um die Übungen durch die man die Befreiung aus Samsara erlangt. Das Thema dieser Stufe sind die vier edlen Wahrheiten . Zunächst beschäftigt man sich mit den allgemeinen Leiden Samsaras und dann mit den spezifischen Leiden des menschlichen Daseins und des Daseins der Götter.

Die allgemeinen Leiden sind:
  1. der Nachteil der Unsicherheit
  2. der Nachteil der Unzufriedenheit
  3. der Nachteil, immer wieder den Körper zurücklassen zu müssen
  4. der Nachteil, immer wieder empfangen und geboren zu werden
  5. der Nachteil, dass sich hoch und niedrig wieder abwechseln
  6. der Nachteil, keine Freunde und Helfer zu haben
    (Nach Pabongka Rinpoche, Befreiung in unseren Händen)
Diese allgemeinen Leiden erleben wir unter der Macht von Karma und Klesas unfreiliig in jeder samsarischen Existenz. Candrakirti hat unser Kreisen in Samsara in Madhyamakavatara mittels einer sechsfachen Analogie von den Eimern im Brunnen verdeutlicht:

"Verehrung dem Erbarmen mit wandernden Wesen,
die machtlos sind wie Eimer im Brunnen;

[1.3]

Die Analogie bezüglich der Eimer im Brunnen, die er in Madhyamakavatara selbst nicht erwähnt, aber in Kommentaren erläutert wird, geht folgendermaßen:
  1. Die Wesen der Welt sind durch das Seil der Handlungen und Verblendungen gebunden
  2. Unser Bewusstsein hält das Kreisen im Daseinskreislauf aufrecht
  3. Ohne Unterlass kreisen die Wesen durch die verschiedenen Daseinsbereiche; vom Gipfel des Daseinskreislaufs bis in die Tiefe der qualvollsten Hölle
  4. In die niederen Daseinsbereiche bewegen sie sich ohne Mühe; aber das Aufsteigen in die glücklichen Daseinsbereiche ist nur mit großer Mühe möglich
  5. Obwohl das umfassend verblendete Entstehen aus drei Gruppen besteht, lässt sich bezüglich der zeitlichen Abfolge dieser drei Gruppen kein bestimmter Punkt festlegen
  6. Tag für Tag werden die Lebewesen von den drei Arten des Leidens umhergeschleudert
 
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