Sherab

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Buddh. Richtung:
Rime
In den 12 Gliedern des abhängigen Entstehens spielen die gestaltenden Faktoren (wie die Unwissenheit) eine entscheidende Rolle.

Durch sie wird Karma produziert. Vor allem durch den Geistesfaktor "Wille".

Ich bin etwas irritiert, dass der Geistesfaktor "Wille" bereits vor dem Bewusstsein auftauchen soll und auch vor der Entwicklung der 6 Sinneskräfte.

Wahrscheinlich ist das wieder ein Spezialfall des Geistesfaktors Wille im Kontext der 12 Glieder des abhängigen Entstehens.

Meine Irritation bezieht sich darauf, dass ein fühlendes Wesen zunächst ein Bewusstsein entwickelt und erst dann einen Willen, der ja auch irgendwie mit
Bewusstheit zu tun haben muss. Im Mutterleib oder gar im Bardo hat das Wesen jedenfalls keinen bewussten Willen.

Oder wie wird Wille im Kontext der 12 Glieder bzw. im Kontext des 2. Gliedes definiert?

(Bitte hier keine Diskussion anfangen ob es einen "freien Willen" gibt oder nicht. Das bitte in einem separaten Thread, sofern gewünscht).
 
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe aus dem Blickwinkel verschiedener Rollen, die mein jetziges Leben prägten. Als Sohn, als Ehemann, als Arbeitnehmer, als Volkswirt und vor allem als Schüler der buddhistischen Philosophie, wobei ich versuche, diese in mein Leben zu integrieren.
Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Der Geist und die Geistesfaktoren existieren gemeinsam. Es gibt keinen Geist ohne Geistesfaktoren und keine Geistesfaktoren ohne Geist. Der Geistesfaktor Wille ist einer der fünf allgegenwärtigen Geistesfaktoren, mit denen jeder Geisteszustand verbunden ist. Er hat die Funktion, den Geist auf sein Wahrnehmungsobjekt auszurichten.

Was die 12 Glieder des abhängigen Entstehens angeht: auch wenn es in Sutta heißt. dass "aus den Gestaltungen als Ursache entsteht das Bewusstsein" (Samyutta-Nikaya 12.1), dann kann es sich hier nicht um eine kausale Ursache-Wirkungs-Beziehung handeln, denn Bewusstsein war schon beim Faktor Unwissenheit als auch beim Faktor Gestaltende Tat vorhanden. Es kann also nur bedeuten, durch die Gestaltende Tat wird im Bewusstsein eine karmische Prägung hinterlassen.

Weil der Wille ein allgegenwärtiger Geistesfaktor ist, ist er natürlich auch mit Unwissenheit als auch mit den Gestaltenden Taten verbunden, denn Unwissenheit und Gestaltende Taten gibt es nicht unabhängig vom Geist.

Der Geistesfaktor Wille existiert also nicht vor dem Bewusstsein, sondern gleichzeitig mit ihm. Bewusstsein und damit der Wille existiert auch beim Kind im Mutterleib, weil sich das Bewusstseinskontinuum, das aus früheren Existenzen herrührt, sich bei der Empfängnis mit der Verschmelzung der elterlichen Keimzellen verbindet. Auch im Bardo besteht das Bewusstseinskontinuum weiter, da das Bewusstseinskontinuum nicht abbricht.
 
Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Der Geist und die Geistesfaktoren existieren gemeinsam. Es gibt keinen Geist ohne Geistesfaktoren und keine Geistesfaktoren ohne Geist. Der Geistesfaktor Wille ist einer der fünf allgegenwärtigen Geistesfaktoren, mit denen jeder Geisteszustand verbunden ist. Er hat die Funktion, den Geist auf sein Wahrnehmungsobjekt auszurichten.

Was die 12 Glieder des abhängigen Entstehens angeht: auch wenn es in Sutta heißt. dass "aus den Gestaltungen als Ursache entsteht das Bewusstsein" (Samyutta-Nikaya 12.1), dann kann es sich hier nicht um eine kausale Ursache-Wirkungs-Beziehung handeln, denn Bewusstsein war schon beim Faktor Unwissenheit als auch beim Faktor Gestaltende Tat vorhanden. Es kann also nur bedeuten, durch die Gestaltende Tat wird im Bewusstsein eine karmische Prägung hinterlassen.

Weil der Wille ein allgegenwärtiger Geistesfaktor ist, ist er natürlich auch mit Unwissenheit als auch mit den Gestaltenden Taten verbunden, denn Unwissenheit und Gestaltende Taten gibt es nicht unabhängig vom Geist.

Der Geistesfaktor Wille existiert also nicht vor dem Bewusstsein, sondern gleichzeitig mit ihm. Bewusstsein und damit der Wille existiert auch beim Kind im Mutterleib, weil sich das Bewusstseinskontinuum, das aus früheren Existenzen herrührt, sich bei der Empfängnis mit der Verschmelzung der elterlichen Keimzellen verbindet. Auch im Bardo besteht das Bewusstseinskontinuum weiter, da das Bewusstseinskontinuum nicht abbricht.

Heißt "allgegenwärtig" dass der Geistesfaktor "Wille" in jedem Moment des Bewusstseinskontinuums präsent ist? Also, auch im Bardo?

Dann ist die Definition des Geistesfaktors Wille wohl nicht vergleichbar mit der herkömmlichen Definition des Wortes "Wille".
 
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Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Heißt "allgegenwärtig" dass der Geistesfaktor "Wille" in jedem Moment des Bewusstseinskontinuums präsent ist? Also, auch im Bardo?

Dann ist die Definition des Geistesfaktors Wille wohl nicht vergleichbar mit der herkömmlichen Definition des Wortes "Wille".

Der Geistesfaktor Wille ist allgegenwärtig, weil es kein Bewusstseinskontinuum ohne diesen Geistesfaktor gibt. Das Bewusstseinskontinuum unseres jetzigen Lebens, das aus früheren Existenzen herrührt, und nach unserem Tode in die nächste Existenz übergeht, ist immer, ohne Ausnahme, mit dem Geistesfaktor Wille verbunden, also auch im Bardo. Ohne den Geistesfaktor Wille kann ein Bewusstseinskontinuum nicht existieren. Für die Existenz des Bewusstseinskontinuum braucht es allerdings noch vier weitere allgegenwärtige Geistesfaktoren.

Im Kontext des Dharma hat der Begriff Wille eine andere Bedeutung als im alltäglichen Sprachgebrauch. Unsere Dharma-Fachbegriffe können wir nur aus der Alltagssprache entnehmen wie auch die Wissenschaftler. Aber wir definieren sie auf eine bestimmte Art und Weise wodurch sie sich vom alltäglichen Sprachgebrauch unterscheiden. Genauso macht es die Wissenschaft.
 
Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Interssant, Helmut! Ich hatte es immer so verstanden, dass "lediglich" ein subtiles Bewusstsein das Bewusstseinskontinuum "aufrecht erhält". Innerhalb des subtilen Bewusstseins bilden dann wohl auch alle allgegenwärtigen Geistesfaktoren ein Kontinuum.

Das Wort Bewusstseinskontinuum wäre dann eigentlich zu kurz gegriffen, ein besseres fällt mir aber auch nicht ein.
 
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Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Hierbei muss berücksichtigt werden, ob man auf der Basis von Tantra oder von Sutra argumentiert. Im Sutrasystem wird Bewusstsein nicht so tiefgründig erklärt wie im Tantra. Ich argumentiere auf der Grundlage vom Sutrasystem, weil ich mich in Tantra nicht auskenne.

Wenn im Sutra von groben und subtilen Bewusstsein gesprochen wird, dann sind die Sinnesbewusstseinsarten grobes Bewusstsein, das geistige Bewusstsein ist dagegen subtiler. Oft bedeutet im Sutrasystem subtil einfach nur, dass etwas schwerer zu erkennen ist, während grob dann bedeutet: leichter zu erkennen.

Im Sutrasystem werden die Geistesfaktoren, und damit auch der Wille, dem geistigen Bewusstsein zugeordnet und das geistige Bewusstsein ist das Bewusstseinskontinuum, das von Existenz zu Existenz weitergeht. Die Sinnesbewusstseinsarten verfallen dagegen nach dem Tod, weil ihre Grundlagen mit dem Tod enden.
 
Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
| Mein Blickwinkel: Ich schreibe nicht zwangsläufig aus dem Blickwinkel der Gelug-Prasaṅgika-Madhyamaka, sondern dem Standpunkt meiner Gesprächspartner entsprechend, (auf die ich bemüht bin, einzugehen), sodass es uns möglich ist, auf Augenhöhe zu kommunizieren.
Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
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Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
:unsure: ... aber es ist Euch nicht entgangen, dass von allem Möglichen die Rede ist, von dem ich sagen würde: es sollte zumindest ein einigermaßen solides Vorwissen bestehen, ... oder?

So sagt z.B. Geshe Thubten Ngawang eingangs: "Die Praxis, Begierde in den Pfad zu integrieren, ist wohl der subtilste Teil der tantrischen Praxis und sehr, sehr schwierig." ...

SH der Dalai LamaXIV erklärt:"Im Höchsten Yogatantra wird als drittes das äußerst subtile Bewusstsein genannt, das "Klare-Licht-Bewusstsein". Dieses ist nicht dem üblichen Werden und Vergehen anderer Bewusstseinszustände unterworfen; insofern besteht es dauerhaft. Im Todesprozess wird das Bewusstsein immer subtiler. Die letzten vier Ebenen heißen "Leere", "Große Leere", "Völlige Leere" und "Absolute Leere" (sie werden manchmal auch als "Weiße Erscheinung", "Rote Zunahme", "Schwarzes Nahes Erreichen" und "Klares Licht" bezeichnet, Anm. des Übersetzers)."

Sicher, irgendwann sollte sich der User, der sich für den tibetischen Buddhismus interessiert, auch damit auseinandersetzen - aber wie auch bei der Aufklärung der Kinder:"Mutter antwortet den kindlichen Fragen gemäß - sie überfordert es nicht, indem sie ihm ungefragt alles vorsetzṭ. .... Meine Meinung.lieber @kilaya ...
 
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Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Es muss ja auch nicht jeder Thread für alle sofort verständlich sein. Wenn es an sich etwas ist, was man ohnehin legitim offen finden kann, dann denke ich schützen sich Texte auch bis zu einem gewissen Maß selbst.
 
| Mein Blickwinkel: Offen für Fremdeinflüsse. Wichtig ist mir, alles in seinem Kontext zu belassen und authentische Lehren zu schützen. Gleichzeitig ist mein Denken vernetzt und ich schreibe gerne in meinen eigenen Worten, was ich glaube, verstanden zu haben.
Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Hast Du da eine Empfehlung in welchem Buch meine Frage beantwortet wird?
ich nehme an, das bezieht sich auf diese Aussage:
Ich hatte es immer so verstanden, dass "lediglich" ein subtiles Bewusstsein das Bewusstseinskontinuum "aufrecht erhält". Innerhalb des subtilen Bewusstseins bilden dann wohl auch alle allgegenwärtigen Geistesfaktoren ein Kontinuum. Das Wort Bewusstseinskontinuum wäre dann eigentlich zu kurz gegriffen, ein besseres fällt mir aber auch nicht ein.
Lieber @Sherab, wo der Dalai Lama es in einem Buch beschreibt, weiß ich nicht so genau, aber ich empfehle Dir noch einmal dringend den von mir eingestellten Beitrag des Dalai Lama; .... oder hast Du die PDF doch gelesen? https://www.tibetswiss.ch/Das_Bewusstsein_aus_der_Sicht_des_Tantra
 
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Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
... dann denke ich schützen sich Texte auch bis zu einem gewissen Maß selbst.

Ja, das wird oft gesagt ... :rolleyes:, und Ihr habt gewiss recht: all dies ist öffentlich zu finden, ich weiß, ... was ich nicht weiß ist, ob wir das hier unbedingt nachmachen müssen. Wie gesagt, es ist nur meine Meinung.
 
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Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
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Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Re: Tibetisch Geistesfaktor "Wille"
Ein Buch ist zum Beispiel: Geshe Rabten, Geist und Geistesfaktoren. In dem Buch wird der Geistesfaktor Wille mit Absicht übersetzt.
Ein Buch, das ich mir schon immer mal zulegen wollte 🙄
 
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